Adoptionen werden zur Geldfrage

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Adoptionen um 40 Prozent zurückgegangen – die der Pflegschaften für Kinder hingegen kaum. Fachleute sehen auch finanzielle Ursachen. In reichen Regionen wird mehr adoptiert als in armen Gegenden

VON BARBARA DRIBBUSCH

In Deutschland werden immer weniger Kinder und Jugendliche adoptiert – die Zahl der Pflegschaften hingegen ist nahezu gleich geblieben. Dies liegt nicht nur daran, dass weniger Kinder für Adoptionen zur Verfügung stehen. Auch „die wirtschaftliche Lage“ potenzieller Eltern spiele eine Rolle, sagte Frank Licht, der Leiter der Adoptionsstelle Berlin-Brandenburg, der taz.

Adoptionen seien erheblich teurer geworden, so Licht. Frauen und Männern in wirtschaftlich bescheidenerer Situation können hingegen immer noch Pflegekinder aufnehmen, denn dafür wird ein Pflegegeld gezahlt.

Nach den jetzt veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden im vergangenen Jahr 5.064 Kinder adoptiert, 5 Prozent weniger als im Vorjahr. Seit 1994 hat sich die Zahl der Adoptionen um 40 Prozent verringert. Anders sieht es bei den Pflegschaften aus: Im Jahre 1994 wurden 11.453 Kinder von Eltern neu als Pflegekinder aufgenommen. Im vergangenen Jahr wurden 10.617 neue Pflegekinder registriert.

Von den Adoptierten wurden 62 Prozent von einem Stiefelternteil oder von Verwandten als Kind angenommen. Nur ein kleinerer Teil waren Fremdadoptionen. Davon stammten viele Kinder von nichtdeutschen Eltern. 453 Kinder kamen aus Asien, 255 aus der russischen Föderation, 169 aus Nord- und Südamerika sowie 132 aus Afrika. 631 Kinder wurden von ihren neuen Eltern aus dem Ausland nach Deutschland geholt.

Ende 2004 waren in Deutschland 895 Kinder und Jugendliche für eine Adoption vorgemerkt, immerhin 10,5 Prozent mehr als 2003. Rein rechnerisch kamen auf jeden vorgemerkten Minderjährigen elf mögliche Adoptiveltern, die Zahl dieser Bewerber ging im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent zurück.

In Deutschland gilt bei Adoptionen seit 2002 die Haager Konvention, der über 50 Staaten angehören. Nach dieser Übereinkunft können Eltern ausländische Kinder erst dann adoptieren, wenn im Heimatland keine neuen Eltern gefunden wurden. Eine legale Adoption aus dem Ausland über einen Vermittlungsverein koste inklusive Gebühren und Reisekosten zwischen 15.000 und 20.000 Euro, erklärt Licht, „das ist für viele interessierte Paare auch eine Geldfrage“.

Auffällig an der Statistik sei, dass in wirtschaftlich stärkeren deutschen Regionen mehr adoptiert werde als in schwächeren Gebieten, sagte Licht. So lag die Zahl der Adoptionen in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr bei 840, in allen neuen Bundesländern ohne Berlin wurden hingegen insgesamt nur 521 Kinder adoptiert.

Im Unterschied zu Adoptiveltern bekommen Pflegeeltern vom Staat ein steuerfreies Pflegegeld – je nach Bundesland und Alter des Kindes zwischen 650 und 800 Euro pro Kind. Während Adoptiveltern meist der besser gestellten Mittelschicht angehörten, fänden sich unter Pflegeeltern häufiger auch Paare aus der unteren Mittelschicht, bestätigte Licht. Bei einer Dauerpflegschaft behält die leibliche Mutter einen Zugriff auf ihr Kind. Oft verbleiben die Kinder aber während ihrer ganzen Kinder- und Jugendzeit bei den Pflegeeltern, etwa wenn die Mutter Drogenprobleme hat, psychisch krank ist oder straffällig wurde.

Nach Ansicht Lichts gibt es wegen der gesellschaftlichen Diskussion über die Bedeutung der Gene aber auch unter Akademikern zunehmend Vorbehalte, Kinder zu adoptieren. Oft befürchteten potenzielle Eltern, dass das Erbgut der leiblichen Mütter und Väter die Persönlichkeit des Kindes negativ prägen könnte: „Da gibt es Mediziner, die dann sagen, wir wollen doch lieber nicht adoptieren.“