Umstrittene Abstimmung in Venezuela: Mindestens 15 Tote am Wahltag

Zahlreiche Wahllokale blieben leer, vor der Tür herrschte Gewalt. Die USA und andere Staaten wollen das Ergebnis der Wahl nicht anerkennen.

Rote Flammen und weißer Rauch

Chaotische Zustände auf den Straßen von Caracas während der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung Foto: reuters

SãO PAULO epd | Die umstrittene Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela ist von Straßenschlachten und zahlreichen Todesfällen überschattet worden. Nach Berichten des Nachrichtenportals „El Nacional“ vom Sonntag kamen innerhalb von 24 Stunden mindestens 15 Menschen ums Leben. Es handelt sich um die blutigste Bilanz seit Ausbruch der Massenproteste gegen die sozialistische Regierung von Präsident Nicolás Maduro Anfang April.

Die Opposition hatte zu einem Boykott der Wahl und Straßensperren aufgerufen. Sie sprach von einem schwarzen Tag für die Demokratie und warf den Sicherheitskräften ein brutales Vorgehen gegen demonstrierende Regierungsgegner vor. Für Montag kündigte sie weitere Proteste an.

Die USA und zahlreiche lateinamerikanische Länder kündigten an, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. „Die betrügerische Wahl von Maduro ist ein weiterer Schritt in Richtung Diktatur. Wir akzeptieren keine unrechtmäßige Regierung“, erklärte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, via Twitter. „Das venezolanische Volk und die Demokratie werden sich durchsetzen“, fügte sie hinzu. Auch Mexiko, Kolumbien, Panama, Argentinien, Costa Rica, Brasilien und Peru lehnten die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung als illegal ab.

Ein offizielles Wahlergebnis lag am Sonntagabend noch nicht vor. Beobachter berichten aber von einer geringen Wahlbeteiligung. Zahlreiche Wahllokale seien leer geblieben. Vizepräsident Tareck El Aissami sprach dagegen von einer „massiven Beteiligung“ im ganzen Land. Maduro hatte gedroht, Arbeiter in Staatsbetrieben zu entlassen und ihnen Sozialleistungen zu kürzen, wenn sie sich an dem Wahlboykott der Opposition beteiligen.

Oppositionsführer Henrique Capriles rief für Montagmittag zu einem landesweiten Protestmarsch gegen „das Massaker vom Sonntag“ auf. „Wir können angesichts der vielen Toten nicht gleichgültig sein“, sagte der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Gouverneur des Bundesstaates Miranda. „Die Wahl ist vorbei, aber der Kampf für die Demokratie geht weiter.“

Motorradgangs, Soldaten und Plünderungen

Im Bundesstaat Táchira im Westen des Landes kamen sechs Menschen ums Leben, etwa 400 Demonstranten wurden verletzt, wie Capriles bekanntgab. In Merida gab es fünf Tote, im Bundesstaat Lara, ebenfalls im Westen des Landes, kamen zwei Menschen ums Leben. Ein Demonstrant starb in Sucre, ein weiterer in Zulia durch Schussverletzungen. Die Zahl der Toten seit April stieg damit auf rund 130.

Videos in sozialen Medien zeigen Soldaten, die sich auf Hausdächern positionieren und von dort auf Demonstranten schießen. In Caracas schüchterten regierungsnahe Motorradgangs Anwohner ein und schossen wild um sich. Bereits in der Nacht zum Sonntag hatte es zahlreiche Plünderungen in Wahllokalen gegeben, bei denen auch Wahlcomputer zerstört wurden.

Maduro will die 1999 unter seinem Vorgänger Hugo Chávez verabschiedete Verfassung novellieren und ließ deshalb über die 545 Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung abstimmen. Das Gremium kann alle anderen staatlichen Institutionen auflösen. Mit einer Verfassungsreform will er nach eigenen Angaben das Land befrieden.

Die Opposition wirft Maduro dagegen vor, das Parlament entmachten und sich „diktatorische Vollmachten“ sichern zu wollen. Sie sieht darin ein Manöver, die 2018 anstehende Präsidentenwahl hinauszuschieben. Schon jetzt regiert Maduro mit Sonderdekreten am Parlament vorbei. Seit Anfang 2016 stellt die Opposition die Mehrheit im Nationalparlament.

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