Eröffnung Tanz im August in Berlin: Without a story we would go mad

Fela Kuti ist eine Legende, als Musiker und politischer Kämpfer. Ihm setzt der Choreograf Serge Aimé Coulibaly ein Denkmal.

Auf der Bühne liegen umgedrehte Stühle, Tänzer rutschen dazwischen über den Boden.

Szene aus Serge Aimé Coulibalys Stück „Kalakuta Republic“ Foto: Sophie Garcia

Fela Kuti, der Prinz des Afro-Beat, war ein Visionär – aber auch ein Tyrann. In seiner Künstler-Kommune „Kalakuta“ – der Name verweist auf eine überfüllte Gefängniszelle, in der Kuta einst saß -, eingerichtet mitten in der Zeit der nigerianischen Militärdiktatur als eine freie und utopische „Republik“, lebten bis zu 40 Personen – seine Familie und Bandmitglieder. Ein Studio gehörte dazu und eine kostenlose Sanitärstation. Das Leben dort war arbeitssam und gleichförmig, bestimmt von seinen Ideen und Befehlen.

So erzählt es der Choreograf Serge Aimé Coulibaly in seinem Tanzstück „Kalakuta Republic“, mit dem heute Abend das Festival Tanz im August im Hebbeltheater eröffnet wird. Dann reist die Produktion weiter zum Sommerfestival auf Kampnagel.

„Without a story we would go mad“, eine Songline aus einem Kuta-Stück, flimmert auf der Leinwand vorbei, man sieht Landschaften und Bilder des Musikers. Es ist eine schillernde Geschichte, diese Kommune von Kuti, die nur sieben Jahre dauerte, bis sie brutal vom Militär niedergeschlagen wurde. Kutis eigene Mutter stürzte dabei aus dem Fenster und starb später.

Chef mit Macho-Allüren

„Kalakuta Republic“, im Hebbeltheater in Berlin, Freitag 11. 08., um 18 Uhr; Samstag, 12.08. um 19 Uhr. So, 13.08. um 20.45 Gespräch mit Serge Aimé Coulibaly.

In Hamburg, auf dem Sommerfestival Kampnagel: Do, 17.08. 20 Uhr; 18.08. 20:30 Uhr; Sa, 19.08. 20:30 Uhr.

Sieben Tänzer, Burkinabé, Kameruner und eine weiße Französin, durch Farbflecken im Gesicht markiert, simulieren im funky treibenden Rhythmus Baubewegungen, beziehen sich aufeinander, arbeiten am gleichen Projekt, sind stereotyp und in meditativer Untergebenheit vereint im 45-minütigen Kuti-Stück „Army Arrange­ment“. Coulibaly ist mitten unter ihnen, als Erzähler, Chef, und Kuti-Verkörperer mit Macho-Allüren.

Fela Kuti feierte in seinem verwinkelten Haus in Lagos, das heute ein Museum ist, zwar auch manche Drogenparty oder die eigene Hochzeit mit 27 Frauen. Aber als Aktivist und „antikolonialistischer Panafrikaner“ störte er empfindlich die Abläufe des Regimes. Mit seinen Texten hat Kuti das politische Denken in ganz Westafrika geprägt – aber im Privaten konnte es leicht dekadent werden.

Auf der Bühne sieht man wie die Freiräume in Privatwahn und Missbrauch kippen und ihre utopische Kraft verlieren. „Dekadenz kann Selbstzweck sein“, wird als Motto eingeblendet, während Männer Machtfantasien ins Mikro brüllen („Ich werde Präsident sein!“, „Krieg ist ein Reinigungsritus!“), Stühle fliegen und sich die Einheit in selbstverliebtes, aber auch mitreißendes Chaos auflöst – zum Schluss werden die Frauen aber dann doch auf den Schultern getragen.

Die Paradoxien der Macht

Wie schnell können Helden kippen? Eine ziemlich relevante Frage im Kontinent, wo Freiheitskämpfer sich öfters mal in korrupte Militärdiktatoren verwandeln. Davon war Kuti natürlich weit entfernt: Er gilt heute noch als einer der Vordenker von schwarzer Bürgerrechtsbewegung und afrikanischem Selbstbewusstsein und wird, trotz aller dunklen Seiten, immer noch verehrt wie ein Heiliger.

Das ist es wohl, was den 45-jährigen Choreografen Coulibaly interessiert: Die Paradoxien und Fallstricke von Macht. Die alte Frage, wie man mit Kunst – und sogar mit etwas so Sprachlosem wie Tanz – in Politik eingreifen kann, und wie es nach erfolgreichen Umstürzen weitergeht.

Als 2014 seine Arbeit „Nuit blanche à Ouagadougou“ in der Hauptstadt des westafrikanischen Burkina Fasos Premiere feierte, trug eine der Hauptpersonen auf der Bühne, der Rapper Smokey, gerade parallel auf den Straßen entscheidend zum Sturz des Quasi-Diktators bei, zuweilen kam er sogar zu spät zur Vorstellung, da er die Bürgerbewegung „Balai Citoyen“ organisierte.

Politik auf der Straße

Selten gingen Politik und Kunst so nahtlos ineinander über wie im friedlichen Volksaufstand von Burkina Faso, der schließlich zum Sturz des Präsidenten führte. Tagsüber demonstrierte Coulibalys Company „Faso Dance Théâtre“ auf den aufgewühlten Straßen der Stadt, nachts tanzten sie die Zustände nach, wegen derer es in dem bitterarmen Land Revolution zu machen galt, peitschten die Zuschauer auf, forderten zum Sturz des Machthabers auf. Heute versucht die junge Demokratie in Burkina Faso zögernd, wirtschaftlich auf die Beine zu kommen.

Serge Aimé Coulibaly pendelt immer noch zwischen der Hauptstadt Ouagadougou, seinem Wohnort Brüssel und Australien hin und her, wo er seit 12 Jahren mit Aborigine-Tänzern zusammenarbeitet. Verheiratet ist er mit einer Inderin: „Ich glaube, dass die Mischung von Kulturen die Grundkonstante des Menschen ist“, sagt er.

Geboren wurde er 1972 in Bobo-Dioulasso, zweitgrößte Stadt von Burkina Faso. Mit 21 Jahren, ohne jegliche Tanzausbildung, wurde Coulibaly Mitglied der Tanzkompanie „Feeren“ von Amadou Bourou, legendärer Gründervater des burkinischen Theaters.

Große Tournee

Fünf Jahre später, 1998, choreografierte er bereits die Eröffnungszeremonie der Afrika-Fußballmeisterschaft. 2001 traf er dann auf zwei renommierte Choreografen aus Europa, tanzte im geblümten Mädchenkleid kraftvoll-artistische Macho-Parodien in Alain Platels „Wolf“ und lässige Gentleman-Verführungsszenen in „Tempus Fugit“ von Sidi Larbi Cherkaoui. 2002 gründete er dann die eigene Kompanie „Faso Danse Théâtre“, mit der er bereits neun Stücke ins­zeniert hat. Er unterrichtet an Tanzakademien in Rom und Frankreich und tourt unermüdlich durch die Welt. Zuletzt war er mit großem Erfolg beim Festival von Avignon.

Auch „Kalakuta Republic“ wird weltweit zu sehen sein, erst im Sommer 2018 geht es auf Afrika-Tournee. Obwohl schon lange Weltbürger, bleibt Afrika das Hauptthema von Serge Aimé Coulibaly, er unterstützt junge Tänzer in Bobo-Diolassou, auch heute noch Hauptsitz der Kompanie. „Es bleibt ein politischer Akt, in Europa afrikanische Choreografen zu zeigen. Dass die Finanzierung meiner Arbeit nicht aus Afrika stammt, macht mich allerdings nachhaltig traurig“, sagt er.

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