Nach der Gewalt in Charlottesville: US-Aktivist outet Neonazis

Im Netz werden Fotos von wütenden jungen Männern verbreitet – mit zum Teil harten Konsequenzen für die Fotografierten.

Eine brennende Strohpuppe mit Hakenkreuzen auf der Hose vor einem Gebäude

Mit Feuer gegen das Hakenkreuz: Demo gegen Rassismus am Montag in Minneapolis Foto: ap

NEW YORK taz | Die Großaufnahmen von wütenden jungen Männern mit Nazi-Symbolen, zum Hitlergruß erhobenen Händen und brennenden Fackeln, die eine kleine Stadt in Virginia in Angst und Schrecken versetzten, sind durch die Medien der Welt gegangen. Aber auf dem Twitterprofil @YesYoureRacist haben sie zu Konsequenzen im Leben der Fackelträger geführt. Der Aktivist Logan Smith, der hinter dem Profil steht, hat sich darauf spezialisiert, Nazis und andere Rassisten öffentlich zu outen. „Doxxing“ heißt das. „Gebt mir ihre Namen und ich mache sie berühmt“, lautet sein Slogan.

Seit dem Unite-the-Right-Aufmarsch ist die Zahl seiner Follower von 60.000 auf fast 400.000 in die Höhe geschnellt. Mehrfach täglich veröffentlicht er jetzt Namen und Details über Männer, die in Charlottesville waren – oft verbunden mit ihren Telefonnummern und manchmal auch mit denen ihrer Arbeitgeber. Anschließend beginnen die Follower individuelle Kampagnen gegen die Fackelträger. Binnen vier Tagen haben sie so bereits Karrieren beendet und tiefe Keile in Familien getrieben.

In North Dakota schrieb ein Vater in einem öffentlichen Brief an die Zeitung The Forum: „Mein Sohn ist nicht länger bei uns willkommen“. Er begründete seine öffentliche Zurückweisung mit den „niederträchtigen, hasserfüllten und rassistischen Worten und Taten“ seines jüngsten Kindes Peter Tefft. Und mit einer historischen Verpflichtung: das „Schweigen der anständigen Menschen“ habe den Aufstieg der Nazis in Deutschland ermöglicht.

#YesYoureRacist hatte Peter Tefft als „dieser charmante Nazi“ beschrieben und einen Link zu einem Video gesetzt, in dem der 30-Jährige gegen Juden, Afroamerikaner und Frauen hetzt. Im Oktober will er in Fargo eine Konferenz über die „Bürgerrechte von Weißen“ organisieren. Sein Vater hofft immer noch, dass er auf den Pfad der Tugend zurückkehrt. Andernfalls, so schreibt er seinem Sohn, „musst Du auch unsere Körper in den Ofen schaufeln“.

Blame and Shame

Im nordwestlichen Bundesstaat Washington traf das Outing den Chef der College-Republikaner an der WSU-Universität. James Allsup musste von seiner Position an der Spitze der Republikaner zurücktreten, die Universität ging öffentlich auf Distanz von seinem Treiben und eine republikanische Kongressabgeordnete, die auf einem Gruppenbild mit ihm zu sehen ist, versicherte, dass sie ihn nicht kenne. In Charlottesville bentutzte Allsop das Wort „Pussies“ für Frauen und rief Gegendemonstranten zu: „Ihr verdammten Verlierer und Kommunisten. Verschwindet aus unserem Land“.

In Nevada versuchte Peter Cvjetanovic eine Flucht nach vorn, nachdem er mit einem Bild geoutet wurde, das ihn mit weit aufgerissenem Mund und Fackel zeigt und nachdem eine Petition für seinen Ausschluss von der Universität Reno binnen weniger Stunden Tausende Unterschriften bekam.

Cvjetanovic ging in den Fernsehsender KTVN und erklärte, er sei nicht der „wütende Rassist“, als der er auf dem Foto erscheint, sondern sorge sich lediglich um die Zukunft der „weißen, europäischen Kultur“ in den USA. Dieses „weiße Erbe“ wolle er retten. Der republikanische Senator aus Nevada, Dean Heller, mit dem sich Cvetanovic hatte fotografieren lassen, fühlte sich genötigt, per Twitter den „empörenden Rassismus“ zu verurteilen und versicherte, dass er „diese Person“ nicht kenne.

Im kalifornischen Berkeley heftete der Fast-Food Laden „Top Dog“ bereits am Sonntag ein Schild an seine Fassade. Aufschrift: „Cole White arbeitet hier nicht mehr“. Kunden hatten Whites' Arbeitgeber gedrängt, ihn zu entlassen und hatten die Restaurant-Kritiken auf Yelp mit Kommentaren über den rassistischen Angestellten gefüllt. „Wir respektieren die Meinungen unserer Beschäftigten“, erklärte der Arbeitgeber, „aber sie müssen die Verantwortung für ihre Wahl übernehmen“.

„Blame and Shame“ – rügen und beschämen – heißt die Taktik, mit der die Nazis gejagt werden. Den Vorwurf, er fordere zu Denunziationen auf, weist Gründer Smitz weit von sich. „Sie haben ihre Kapuzen abgezogen“, erklärte er im Fernsehsender CNN. „Sie wollen gesehen werden“. Sein eigenes Engagement begründet er damit, dass Weiße in den USA eine besondere Verantwortung hätten, gegen Rassismus vorzugehen.

Tech-Unternehmen beugen sich dem Druck

Doch in mindestens einem Fall traf sein Outing den Falschen. In Arkansas war Ingenieur-Lehrer Kyle Quinn beim Abendessen, während die Fackelträger durch das 1.600 Kilometer entfernte Charlottesville marschierten. Dummerweise sieht er einem der Fackelträger entfernt ähnlich und wurde als „Nazi“ geoutet. Direkt danach erhielten der Gouverneur von Arkansas und die Universität Aufrufe, den Ingenieurslehrer zu entlassen. Er selbst erhielt so massive Drohungen, dass er sich mit seiner Frau zu Freunden flüchtete.

Während @YesYoureRacist sich auf individuelles Outing konzentriert, beugen sich zunehmend Tech-Unternehmen dem Druck von „Blame and Shame“ und den Aufrufen zum Boykott. So haben Anfang der Woche die Internet-Anbieter GoDaddy und Google die Neonazi-Webseite „The Daily Stormer“ herausgeschmissen. Sie führt seither ein Schattendasein – ohne Verlinkung und benutzerfreundliche Oberfläche. Airbnb hat Profile von Neonazis gelöscht. Und Facebook hat die Aufrufe zu Unite-the-Right verschwinden lassen.

Doch am Dienstagabend geriet der Outer selbst in das Visier eines Tech-Unternehmens. Die Webseite Patreon, auf der Smith bislang Spenden sammelte, entfernte sein Profil. Nach langer Zeit hat sie entdeckt, dass sein Profil nicht ihren „Community-Regeln“ entspricht.

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