Kritik an Abschiebung in Plön: Die verschlampte Mail

Eine albanische Familie wird abgeschoben. Schuld ist ein Behördenfehler. Kritik gibt es auch an der Härte, mit welcher der Kreis Plön vorging.

Ein Flugzeug über Stacheldrahtzaun

Als die Behörde ihren Fehler merkte, saß die Familie bereits im Flugzeug nach Albanien Foto: dpa

HAMBURG taz | Protest der Dorfgemeinschaft und ein Härtefallantrag halfen nichts. Am Dienstag wurde eine sechsköpfige albanische Familie aus Barkenau (Kreis Plön) abgeschoben. Der Fall sorgt weiter für landesweite Schlagzeilen. Gegen die Plöner Ausländerbehörde wird scharfe Kritik erhoben.

„Dass die Familie trotz laufendem Härtefallantrag abgeschoben wurde, halte ich für skandalös“, sagt Jasmin Azazmah, Sprecherin des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein: „Gerade die Härtefallkommission kann ja gerade klären, ob die Familie ausreichend eigenständig und vernetzt ist.“ Der Antrag war zwar fünf Wochen zuvor bei der Ausländerbehörde des Kreises Plön eingegangen, blieb aber unbearbeitet auf dem Rechner eines Sachverständigen, räumte die Behörde ein. Die Behörde des Landkreises Plön hat daraufhin zwar alle laufenden Abschiebungsverfahren zur erneuten Prüfung gestoppt, doch für die Familie kam das zu spät.

Allerdings hätte die Abschiebung eventuell sogar noch verhindert werden können, hätte man schneller reagiert, als man den Fehler mit dem Härtefallantrag bemerkte. Der Flüchtlingsbeauftragte des Landes, Torsten Döhring sagt: „Wenn man theoretisch eine Stunde Zeit hat und weiß, von welchem Flughafen der Flieger startet, sollte es möglich sein, die nötigen Anrufe zu tätigen. Das hängt davon ab, inwiefern man Gas gibt oder nicht.“ Die Ausländerbehörde hat offensichtlich zu wenig Gas gegeben. „Als wir den Fehler am nächsten Morgen bemerkt haben, konnten wir die Familie nicht mehr an der Ausreise hindern“, sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde.

In den Kreisen der ehrenamtlichen Helfer herrscht Enttäuschung und Wut über die Abschiebung, denn die Familie sei gut integriert gewesen. „Das ist ein fatal falsches Signal an alle Seiten,“ sagt Sven Hoffmeister, einer der ehrenamtlichen Helfer der Familie. Er arbeitet auch als Lehrer in einer Berufsschule und hat sich um die Ausbildungsmöglichkeiten gekümmert: „Der Familienvater war ein Musterbeispiel für gelungene Integration.“ Nach Praktikum, Ehrenamt und Arbeit als LKW-Fahrer habe er einen Ausbildungsplatz bei einem Unternehmen sicher gehabt. Dass die Ausländerbehörde diese Tatsachen ignoriert, sei ungeheuerlich: „Unternehmen machen so etwas auch nur einmal mit. Die brauchen Planungssicherheit, sonst nehmen die jemand anders.“

Ermessenserlasse: In Schleswig-Holstein haben die Ausländerbehörden der Landkreise das letzte Wort bei Abschiebungen. Das Innenministerium gibt allerdings Empfehlungen, sogenannte Ermessenserlasse. Die Ermessenserlasse gelten den Ausländerbehörden als Richtlinie, nach der sie entscheiden sollen.

Gerichtliche Prüfung: Die Entscheidungen der Ausländerbehörden können zwar gerichtlich geprüft werden, die Entscheidung wird dadurch jedoch nicht revidiert. Es wird lediglich festgestellt, ob der Entscheidungsprozess korrekt ablief.

Auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Aminata Touré, sagte den Kieler Nachrichten: „Gerade Menschen, die gut integriert sind und Aussicht auf eine Anstellung oder Ausbildung haben, müssen wir die Möglichkeit auf eine Bleibeperspektive zusichern.“ Die Ausländerbehörde hätte unabhängig vom Härtefallersuchen ihren Ermessensspielraum nutzen können, wie es im Koalitionsvertrag als Kurs der Jamaika-Koalition stehe.

Über manche Behörden gibt es mehr Beschwerden

Ermessungsnormen aus dem Landesinnenministerium geben Ausländerbehörden über Sachlagen Weisungen, wie über Integrationsmaßnahmen oder Abschiebungen entschieden werden soll. Gegen genau einen solchen Erlass habe der Kreis Plön verstoßen, sagt der Landesflüchtlingsbeautragte Torsten Döhring. Er kritisiert: „Auch die Abschiebung von Kindern bei Nacht-und-Nebel-Aktionen halte ich für nicht vertretbar.“ Die albanische Familie wurde in der Nacht von Montag auf Dienstag abgeholt.

Döring nimmt auch Unterschiede in der Auslegung der Ermessungsspielräume der Kreisbehörden wahr. Alternative klarere Ansagen aus dem Innenministerium hält er jedoch für falsch: „Damit kann man auch den positiven Fällen nicht gerecht werden.“

Ob Fehler oder Kalkül, Kreisbehörden entscheiden über das Schicksal Einzelner mal mit mehr oder weniger Härte. „Wir beobachten, dass manche Kreisbehörden restriktiver vorgehen als andere“, sagt Jasmin Azazmah vom Flüchtlingsrat. Solche gravierenden Fälle wie in Barkenau passieren zwar selten, aber über manche Ausländerbehörden gebe es mehr Beschwerden als über andere.

Wie es jetzt mit der sechsköpfigen Familie weitergeht, ist ungewiss: Rückführungen sind schwierig und aufwendig.

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