Kommentar G20-Akkreditierungen: Risiko für die Meinungsfreiheit

Von keinem der vor dem G20-Gipfel beschuldigten Journalisten ging eine Gefahr aus. Von Bundespresseamt und BKA hingegen schon.

Regierungssprecher Steffen Seibert vor einem Mikrofon

Einschränkung der Pressefreiheit? Nicht Steffen Seiberts Sache Foto: dpa

Je mehr bekannt wird, aus welchen Gründen Journalisten ihre Akkreditierung beim Hamburger G20-Gipfel entzogen wurde, desto absurder wird es. Sechs Wochen nach dem bizarren Treffen an der Alster haben sich zwar immer noch keine verurteilten Straftäter oder linksradikalen „Leiter von Schwarzen Blöcken“ finden lassen, die laut Bundesregierung angeblich auf der Schwarzen Liste gestanden hätten. Auch der von ihr behauptete rechtsextreme „Reichsbürger“ hat sich als Räuberpistole erwiesen. Dafür wird inzwischen immer offensichtlicher, wie höchst problematisch die Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern mit Journalisten umgehen.

Es ist alleine schon ein Skandal, dass bis heute der Mehrzahl der 32 Betroffenen nicht mitgeteilt worden ist, was das Bundeskriminalamt konkret gegen sie an Staatsschutz“erkenntnissen“ zusammengetragen hat. Die wenigen Fälle, in denen bislang Auskunft gegeben wurde, zeichnen ein düsteres Bild: Namensverwechselungen, gerichtskundige Falschbeschuldigungen, fatale Fehlauskünfte, unrechtmäßig gespeicherte Daten – auf solch aberwitziger Basis hat das BKA dem Bundespresseamt empfohlen, Journalisten in ihren Arbeitsmöglichkeiten einzuschränken. Und das Bundespresseamt ist der Empfehlung eilfertig ohne eigene Prüfung gefolgt.

„Es ist nicht meine Rolle, mir einzelne Fälle anzuschauen“, hat dazu Regierungssprecher Steffen Seibert lapidar in der Bundespressekonferenz verkündet. Aber ebenso wenig kann und darf es der ehemalige ZDF-Redakteur als seine Aufgabe sehen, willfährig den Ruf und die berufliche Existenzgrundlage von Kollegen aufs Spiel zu setzen. Genau das ist jedoch geschehen.

Hätte ihm nicht auffallen müssen, dass sich auf der Schwarzen Liste des BKA auch Journalisten befunden haben, die seit Jahren anstandslos für den Bundestag akkreditiert sind und seit langem schon problemlos von diversen politischen Großereignissen berichtet haben? Kein Grund, genauer hinzuschauen? Kein Grund zur Nachfrage?

Aussitzen statt aufklären

Bis heute hat Bundespresseamtschef Seibert nicht verraten, welche „sehr ernsthaften Sicherheitsbedenken“ dazu geführt haben, dass er auf Geheiß des BKA unmittelbar vor Gipfelbeginn bereits akkreditierten Journalisten die Zulassung wieder entzogen hat. Völlig nebulös geblieben ist, warum die von ihm in Anschlag gebrachte „Neubeurteilung der Gesamtlage des Gipfels“ sie plötzlich zu auszuschließenden „Sicherheitsrisiken“ gemacht hat. Statt für Aufklärung zu sorgen, übt sich Seibert in der Kunst des Aussitzens.

Das ist nicht nur inakzeptabel, es könnte für ihn auch noch zum Problem werden. Schließlich kann als einzig gesicherte Erkenntnis derzeit nur gelten, dass in allen bislang bekannten Fällen keine nachvollziehbaren Argumente für den Entzug der Akkreditierung vorgebracht worden sind. Wenn also jemand im Zusammenhang mit dem Hamburger G20-Gipfel als „Sicherheitsrisiko“ eingeschätzt werden kann, dann neben dem Bundeskriminalamt wohl vor allem das Bundespresseamt mit seinem Leiter Seibert. Denn dessen fragwürdiges Agieren war und ist ganz sicher ein Risiko für die Presse- und Meinungsfreiheit.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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