Kommentar Erdogans Geisel: Die Bundesregierung muss handeln

Nun sitzen bereits 55 Deutsche in türkischer Haft. Jetzt muss Schluß sein mit Lamentieren. Nur wirtschaftlicher Druck wird Erdoğan umstimmen.

Ein Mann mit Sonnenbriulle vor der türkischen Flagge

Setzt unbeirrt seinen menschenverachtenden Kurs fort Foto: dpa

Jetzt sitzen also die nächsten beiden in der Türkei im Knast. Damit sind es nach Angaben des Auswärtigen Amtes bereits 55 deutsche Staatsangehörige, davon 12 aus politischen Gründen.

„Was geht dich das an?“, hat der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu der Bundesregierung am Wochenende schroff beschieden. Es ist die kalte Arroganz der Macht eines autokratischen Regimes, das nicht einmal mehr auf diplomatische Gepflogenheiten Wert legt. Das muss es auch nicht, solange sich die schwarz-rote Regierung auf hilf- wie wirkungsloses Lamentieren beschränkt.

Mehr als 200 Tage befindet sich nun schon unser Kollege Deniz Yücel in türkischer Geiselhaft, Meşale Tolu Çorlu mehr als 125 Tage und Peter Steudtner 60 Tage – um nur drei der willkürlich Inhaftierten zu nennen. Sie würde sich nichts mehr wünschen als ihre Freilassung, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im taz-Interview gesagt. Es gibt keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Doch Wünschen allein reicht nicht.

Außenminister Sigmar Gabriel hat recht: Nur wirtschaftlicher Druck hilft, die Türkei zum Einlenken zu bringen. Doch was folgt daraus? Bisher nicht mehr als die Ankündigung, die Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei zu blockieren.

Das reicht nicht. Vom sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte über das Einfrieren der EU-Vorbeitrittshilfen und die Verweigerung von Hermesbürgschaften bis zur Sperrung der Konten von AKP-Funktionären – das Repertoire möglicher Sanktionen, die Recep Tayyip Erdoğan und seine Gefolgsleute empfindlich treffen würden, ist groß. Und eine Reisewarnung ist ohnehin überfällig.

Das Repertoire der Sanktionen, die Ankara treffen können, ist groß

Noch sind es knapp drei Wochen bis zur Bundestagswahl. Bis dahin würden sie sich an ihren Koalitionsvertrag halten, haben Union und SPD immer wieder bekundet. Nehmen wir sie beim Wort: Das Ziel der Bundesregierung sei „eine menschenrechtlich konsequente und kohärente Politik“, heißt es darin. Und: „Wir stützen und schützen mutige Menschenrechtsverteidiger und fördern zivilgesellschaftliche Kräfte, die unsere Hilfe brauchen.“

Daran muss sich die schwarz-rote Koalition messen lassen. Deswegen ist es auch kein Wahlkampfgeplänkel, wenn Grüne und Linkspartei die Regierung zu einem entschlosseneren Handeln auffordern. Sondern Gebot der Stunde.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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