G20 vor Gericht: Mildes Urteil für Flaschenwerfer

Ein heute 20-Jähriger hatte Flaschen auf Polizisten geworfen. Seine auffällige Kleidung machte gleich mehrere Zivilpolizisten auf ihn aufmerksam.

Hätte der Angeklagte sie mal liegen gelassen: Bierflasche, nicht-justiziabel Foto: dpa

HAMBURG taz | Das Bild ist bekannt: Ein junger Mann sitzt auf der Anklagebank, auf der Zuschauerbank sitzen Angehörige und Freunde des Beschuldigten sowie die Presse. Zum vierten Mal wurden am Dienstag mutmaßliche Gewalttaten rund um den G20-Gipfel in Hamburg verhandelt. Zum ersten Mal kam dabei Jugendstrafrecht zur Anwendung.

Dem heute 20-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, am Abend des Gipfel-Samstags in der Sternschanze mehrere Flaschen auf Polizisten geworfen zu haben. Getroffen worden seien drei Beamte, die aber offenbar nicht verletzt wurden. Außerdem soll er andere zum Mitmachen animiert haben. Bei seiner Festnahme sei der Angeklagte dann verbal ausfällig geworden.

Beweisführung per Video

Zum Beweis führte das Gericht eine von der Polizei angefertigte Videoaufzeichnung an. Zu sehen sei der Angeklagte, wie er zwei Flaschen in Richtung einer Polizeieinheit wirft. Ein Treffer sei nicht zu sehen, ebenso wenig das Anstacheln anderer, so der Verteidiger.

Zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft wurde ein 21-jähriger Niederländer wegen Flaschenwürfen auf Polizisten verurteilt.

Sechs Monate Haft auf Bewährung bekam ein 24-jähriger Pole wegen des Mitführens von Feuerwerk und Reizspray.

Ein Jahr und fünf Monate Haft auf Bewährung sowie ein Bußgeld erhielt ein 21-jähriger Franzose für Flaschenwürfe und Widerstand.

Belastet wurde der junge Mann vor allem durch die Aussagen dreier ZivilpolizistInnen aus dem bayrischen Dachau. Alle drei befanden sich nach eigenen Aussagen in unmittelbarer Nähe zum Angeklagten. Nur ein Polizist wollte bei der Vernehmung seine genaue Position im Geschehen angeben, die anderen beiden lehnten das unter Berufung auf „einsatztaktische“ oder „polizeitaktische Gründe“ ab. Auch wie viele zivile Ermittler unterwegs waren, wollte niemand sagen.

Die Aussagen der drei Zivilfahnder deckten sich beinahe komplett: Der Beschuldigte sei ihnen wegen seiner auffälligen Maskierung mit einem Totenkopftuch ins Auge gestochen. Sein erster Flaschenwurf und seine auffordernde Gestik hätten auch andere zum Mitmachen animiert. Dabei hätte er Sätze gerufen wie: „Kommt schon, das sind nur Bullen!“ Später habe sich der Angeklagte mit Freunden im Florapark getroffen und, der Gestik und Mimik nach, mit seinen Taten geprahlt.

Reumütiger Angeklagter

Der Angeklagte selbst gab sich reumütig und räumte zwei Flaschenwürfe sowie das Zeigen des Mittelfingers ein, angestachelt habe er aber niemanden. Er habe gar nicht gewusst, was G20 eigentlich sei, nur dass einige Politiker in der Stadt seien, „Putin und so“. Er habe einfach nur mal gucken wollen. Warum er die Maske mitgenommen habe, wisse er nicht mehr.

In seinem Plädoyer betonte der Verteidiger, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „völlig unpolitischen“ jungen Mann handle, der sich aus Neugierde dazu hinreißen ließ, bei den Krawallen mitzumachen.

Zurückhaltung beim Strafmaß

In der Urteilsbegründung folgte das Gericht mehrheitlich den Aussagen der ZivilpolizistInnen. Lediglich die Ausrufe seien nicht eindeutig nachweisbar. Das Strafmaß blieb trotzdem deutlich hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft zurück, die wegen diverser vorheriger Delikte des jungen Mannes eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten gefordert hatte. Das Urteil lautete schließlich ein Jahr und drei Monate Haft auf Bewährung.

Durch eine Besonderheit des Jugendstrafrechts muss sich der 20-Jährige diese Bewährung im nächsten halben Jahr aber erst verdienen und sich an die Auflagen des Gerichts halten. Demnach darf er sich nichts zu Schulden kommen lassen und muss auch seinen Aufenthaltsstatus klären. Hierzu läuft laut Verteidigung aktuell ein Verfahren. „Das ist Ihre letzte Chance, die sollten Sie wahrnehmen“, so die Richterin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.