Recycling von Bauabfall: Schutt für die Straßen von morgen

Industrieschlacken sollen seltener auf der Deponie landen und häufiger als Baustoff genutzt werden. Experten kritisieren die Entstehung neuer Altlasten.

Bauarbeiter vor dampfendem Asphalt

Bauarbeiten an der A100 mit nagelneuem Asphalt Foto: dpa

FREIBURG taz | Die Bundesregierung will, dass Bauschutt und Industrieschlacken seltener auf der Deponie landen und häufiger als Baustoff benutzt werden. Experten aus den Ländern befürchten jedoch, dass so „die Altlasten von morgen“ entstehen. An diesem Dienstag berät der Umweltausschuss des Bundesrats das weitere Vorgehen.

Mineralische Abfälle sind mit 240 Millionen Tonnen pro Jahr der größte Abfallstrom in Deutschland. Hierzu gehören Bauschutt aus Abbrucharbeiten, Schlacken aus der Metallerzeugung und Aschen aus der Müllverbrennung. Als Baustoff können solche Abfälle vor allem beim Bau von Straßen, Parkplätzen und Lärmschutzwällen sowie bei der Verfüllung von Leitungsgräben benutzt werden.

Die Bundesregierung hat Anfang Mai eine Ersatzbaustoff-Verordnung (EBV) beschlossen, die die Akzeptanz für mineralische Abfälle erhöhen soll. Erstmals werden bundeseinheitlich und rechtsverbindlich die Anforderungen für die bauliche Verwertung solcher Abfälle geregelt. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verspricht ein „praxistaugliches System, das ein hohes Schutzniveau für Mensch, Boden und Grundwasser festschreibt“.

Die Kreislaufwirtschaft ist kein Wert an sich

Auf den ersten Blick ist es eine Win-win-Situation: Die Baubranche und die Metall erzeugende Industrie werden ihre Abfälle los, und die öffentliche Hand als Hauptabnehmer kann günstige Baustoffe nutzen. Zugleich werden die Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes erfüllt, das auf die Wiederverwertung vermeintlicher Abfälle setzt.

Doch Kritiker aus den Ländern protestieren: Die Kreislaufwirtschaft sei kein Wert an sich, Ziel müsse vielmehr der Schutz von Mensch und Umwelt sein. „Sehenden Auges lässt die Bundesregierung zu, dass neue Altlasten entstehen“, warnt Jörg Martin, Referatsleiter für Bodenschutz im hessischen Umweltministerium. Die EBV sorge für eine „großräumige und unumkehrbare Verteilung von schadstoffhaltigen Abfällen“, kritisiert Ministerialrat Heinz-Ulrich Bertram aus dem niedersächsischen Umweltministerium. Wenn gefährliche Abfälle verbaut werden dürfen, erhöhe dies nicht die Akzeptanz von Ersatzbaustoffen, sondern gefährde sie. Dem Bauherrn drohten auf lange Sicht hohe Zusatzkosten, falls Böden und Grundwasser doch belastet werden. Und wenn zum Beispiel eine Straße erneuert oder rückgebaut werde, müsse der Bauträger die vermeintlich günstigen Baustoffe sogar teuer deponieren, so Bertram. Die EBV sei also auch aus Sicht der Kreislaufwirtschaft kontraproduktiv.

Die Kritiker stören sich vor allem an einem neuen wissenschaftlichen Konzept, das der Verordnung zugrundeliegt. Künftig solle es vor allem darauf ankommen, ob aus dem verbauten Abfall Schadstoffe aussickern. Wenn dies verhindert wird, komme es auf den Schadstoffgehalt des Abfalls nicht mehr an. So könne sogar Sondermüll verbaut werden, der sonst nur auf mehrfach gesicherten Deponien abgelagert werden dürfte. Das neue Konzept wurde großteils von dem Tübinger Diplomgeologen Bernd Susset erarbeitet. Die Kritiker werfen ihm vor, dass er nicht unabhängig sei, sondern für den betroffenen Industrieverband Steine und Erden arbeitet. Eine Sprecherin von Umweltministerin Hendricks wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

Ob die Ersatzbaustoff-Verordnung in Kraft tritt, hängt jetzt am Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich ist. Am 22. September steht das Thema dort auf der Tagesordnung. Vermutlich wird der federführende Umweltausschuss an diesem Dienstag aber mehr Zeit einfordern.

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