Kommentar Junckers Europa-Rede: Tiefe neue Risse

Juncker ist den harten Fragen ausgewichen, auch wenn er gute Ideen hat. Von seinem Vermächtnis wird wohl nicht viel übrigbleiben.

Ein Mann, Jean-Claude Juncker

Europa im Blick? Jean-Claude Juncker Foto: reuters

Ein Feuerwerk der Ideen, aber keine zündende Vision. Das hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Straßburg präsentiert. Den harten Fragen wich der Luxemburger aus.

Wie geht es weiter mit Griechenland? Wie will Juncker die Türkei zur Räson bringen? Was tut er gegen die anhaltenden Verstöße gegen das EU-Recht, gegen die Flüchtlingsabwehr von Ungarn und Polen? Dazu schwieg der Präsident.

Stattdessen: Altbekanntes und Überfälliges. Der „Euro für alle“, die Ausweitung des Schengenraums auf Rumänien und Bulgarien. Beides steht seit Jahren auf der Agenda. Vor seinem Abtritt 2019 soll es nun erledigt werden.

Wie, ließ Juncker offen. Schweden und Polen weigern sich, die Einführung des Euro auch nur einzuleiten. Ein „Euro-Vorbereitungsinstrument“ wird daran nichts ändern. Auch der Widerstand Deutschlands gegen die Abschaffung der Grenzkontrollen im Schengenraum wird nicht über Nacht verschwinden.

Juncker hatte durchaus gute Ideen. Vor allem bei Emmanuel Macron hat er fleißig abgeschrieben. Bürgerkonvente in allen EU-Ländern, EU-weite Wahllisten für die Europawahl 2019, mehr Transparenz in der Handelspolitik – angesichts der fortschreitenden Desintegration der Union sind solche Reförmchen aber zu wenig. Nach der kaum verheilten Spaltung in Nord und Süd, Gläubiger und Schuldner während der Eurokrise tun sich neue Risse zwischen West und Ost auf.

Die Hauptverantwortung dafür trägt Deutschland. Die Alleingänge von Angela Merkel haben die EU schwer beschädigt. Doch Merkel ist es auch, die eine neue Vision für Europa verweigert; sie spielt auf Zeit. Auch deshalb konnte Juncker nicht mehr liefern: Die wahren Weichenstellungen kommen nach dem 24. September – aus Berlin. Dabei dürften viele Vorschläge des Kommissionschefs, auch die guten, wieder vom Tisch geräumt werden. Von Junckers Vermächtnis wird deshalb nicht viel übrig bleiben.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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