Wahlbetrugsvorwürfe gegen AfD Bremen: Anzeige ist raus

Vor allem gegen sich selbst ist die AfD Bremen sehr klagelustig. Mehrere Mitglieder zeigten sich gegenseitig an – auch wegen Wahlbetrugs und Körperverletzung.

Scherben auf Straße

Viele kaputte Flaschen sind noch keine Partei. Die AfD schon Foto: Wolfgang Langestrassen/dpa

BREMEN taz | Während die SpitzenkandidatInnen der AfD mit rassistischen E-Mails und geschichtsklitternden Reden ihre Partei inhaltlich weiter demaskieren, zeigt ihr Bremer Landesverband, dass man auch im Kleinen undemokratisch sein kann. Seit Jahren werden parteiintern Kleinkriege ausgetragen. Gleich mehrere AfD-Mitglieder klagten gegen ihre Partei: Die taz berichtete bereits über ein Verfahren wegen eines geplatzten Mietvertrages vor dem Amtsgericht Blumenthal. Nun liegen der taz Dokumente vor, die zahlreiche weitere Streitigkeiten belegen.

Allein ein Mitglied aus Bremen-Nord, Michael Krieger, stellte mehrfach Strafanzeige gegen ParteikollegInnen wie etwa den Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis (AfD). Der wiederum zeigte Krieger an. Mehrere Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung und weiterem sind zwar inzwischen eingestellt. Aber die Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten ging parteiintern weiter: Dabei geht es auch um Vorwürfe wie Wahl- und Urkundenfälschung sowie Verleumdung.

Krieger besteht unter anderem darauf, beim Landesparteitag im November 2014 als Kandidat für den Beirat Vegesack gewählt worden zu sein. Im Protokoll der Veranstaltung ist jedoch festgehalten, dass er als Kandidat für den Beirat Burglesum aufgestellt wurde. Eine Fälschung, behauptet Krieger. Alles rechtmäßig, sagt Alexander Tassis, der damals als Vorstandsmitglied verantwortlich war.

„Die Prüfung, ob parteiinterne Protokolle fehlerhaft sind, ist nicht Aufgabe des Wahlbereichsausschusses“, teilt Carola Jansen vom Wahlamt mit, das sich 2015 ausführlich mit dem Fall befasste. Das Wahlamt strich Krieger letztlich von der Liste, weil für Burglesum seine Zustimmungserklärung fehlte.

Parteiausschluss für Transparenz

Krieger focht daraufhin parteiintern die Wahl an. Er schickte ein 26-seitiges Schreiben herum, dem er 19 Dokumente als Belege anfügte. Es beinhaltet Fotos von Umschlägen mit Stimmzetteln, E-Mail-Wechsel, Vorstandsprotokolle, sogar eine Versicherung an Eides statt, dass er für Vegesack gewählt wurde. Der Landesvorstand der AfD Bremen überzog ihn daraufhin mit einem Parteiausschlussverfahren.

Anwaltlich erzwingt Krieger unter anderem die Öffnung der Wahlunterlagen des umstrittenen Parteitags. Auch Tassis ist anwesend. Ebenso Krieger sowie dessen damaliger Rechtsanwalt Reich. Festgehalten ist der Vorgang in einem Protokoll. Darin steht: „Alle Umschläge sind braun, der Umschlag für Vegesack ist weiß.“ Die entscheidenden Umschläge, jene für Vegesack und Burglesum, sind „geöffnet und nicht ordnungsgemäß zugeklebt“.

Die Öffnung ergibt, dass Krieger für Vegesack gewählt wurde und nicht für Burglesum. Danach muss die offizielle Darstellung vom Landesparteitag falsch sein, ebenso die Wahlvorschläge des Parteivorstands an das Wahlamt nebst der Versicherung an Eides statt der AfD-Verantwortlichen.

Umso erstaunlicher: Die geöffneten Wahlunterlagen hatten sich zuvor mehrere Wochen im Besitz von Tassis befunden. Es gibt sogar ein weiteres Übergabeprotokoll, das die Rückgabe der Wahlunterlagen durch Tassis nebst deren Ergebnis festhielt, darunter Tassis’ Unterschrift.

Handgreiflichkeiten um die Aktentasche

Nach der Unterzeichnung dieser Unterlagen soll es sogar zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Tassis, Krieger und dem damaligen Schatzmeister gekommen sein. Letztere waren bei Tassis zu Hause, um sich dessen Unterschrift für das Übergabeprotokoll der Wahlunterlagen geben zu lassen.

Der genaue Ablauf ist strittig: Nach der Unterschrift rangeln die drei wohl um eine Aktentasche. Es folgen gegenseitige Anzeigen wegen Körperverletzung und Raubüberfalls. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden später wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt, wie Oberstaatsanwalt Frank Passade der taz sagt.

Krieger, auf den Konflikt und seine Klagen angesprochen, sagt: „Ich bleibe so lange AfD-Mitglied, bis die anhängigen innerparteilichen, zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren gegen die AfD entschieden worden sind.“ Die AfD trete „das demokratische Recht brutal mit Füßen“, weil sie mit einem seit über zwei Jahren anhängigen AfD-Schiedsgerichtsverfahren „die Willkür innerparteilicher Schiedsgerichtsverfahren zu verschleiern“ versuche.

Die Gewalt sei von Tassis ausgegangen, so Krieger. Er habe eingegriffen, damit er sich nicht den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung gefallen lassen musste: „Alexander Tassis hat mit seinen 45 Jahren einen 75-Jährigen überfallen, der am Herzen operiert ist.“

Tassis wiederum hat von der Rangelei eine andere Version: „Die wollten noch vieles anderes unterschrieben haben.“ Infolge sei eine Auseinandersetzung entbrannt, die Herr Krieger „sehr exaltiert“ geführt habe. Tassis habe eine Wunde am Hals davongetragen. „Krieger behauptete unter anderem, die Halswunde hätte ich mir angeschminkt, weil ich als Homosexueller so etwas gerne tue.“ Herr Krieger sei eben „Berufsquerulant, der seit zwei Jahren nichts anderes macht, als uns Ärger zu machen“.

Aber das können dann ja die Anwälte klären.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.