Skurrile TV-Doku über linke Gewalt: Mit dem Zweiten basht es sich besser

Passend zu de Maizières Offensive gegen Links strahlt ZDFinfo „Radikale von Links – Die unterschätzte Gefahr“ aus. Es ist eine Relativierung rechter Gewalt.

Polizei samt Wasserwerfer im Einsatz

Der Bildbeweis: ein mutmaßlich Linksextremer bedroht einen Wasserstrahl Foto: Imago / Christian Mang

Knapp einen Monat sind der G20-Gipfel und die Proteste dagegen in Hamburg nun vorbei. Seitdem überbieten sich einige Stimmen öffentlich mit Warnungen vor Linksextremismus. Nun bedient auch ZDFinfo dieses Bashing mit einem Beitrag. Autor Rainer Fromm ist für kenntnisreiche Filme zum Rechtsextremismus bekannt. Am Mittwochabend um 20.15 zeigt ZDFinfo allerdings seine neue Dokumentation mit dem reißerischen Titel „Radikale von Links – Die unterschätzte Gefahr“, die das Szenario eines vom Linksextremismus bedrohten Deutschlands kreiert.

Im Pressetext zur Dokumentation wird behauptet, linksextremer Terror sei im Jahr 2015 brutaler gewesen als der von RechtsextremistInnen. Dass in dem Jahr allein 924 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte vom Bundeskriminalamt gezählt wurden, wird nicht erwähnt. Der Text hebt hervor, linke Gewalt richte sich vor allem gegen „Polizeibeamte, Unternehmer, Rechtsextremisten und alle anderen, die in der Szene mit dem verhassten ‚Kapital‘ verknüpft werden“.

Unabhängig davon, dass Rechtsextreme wie selbstverständlich in einem Atemzug mit PolizistInnen und UnternehmerInnen genannt werden, unterschlägt diese Darstellung eins: Unter linker Gewalt gegenüber PolizistInnen zählen auch Bagatellen wie etwa ein Angriff mit einem Blumenstrauß oder auch verbale Gewalt und Widerstand gegen Beamte. Differenzierung und Kontext? Fehlanzeige.

Vielmehr wird nahegelegt, linksextreme Gewalt sei eine große Gefahr für die Demokratie. Mehr noch, im Pressetext wird angedeutet, Linksextremismus werde von Parlamentariern gefördert. Was an eine von Rechtsextremen vielzitierte Satire der taz erinnert, nach der es eine Antifa e.V. und eine bezahlte Teilnahme an Demonstrationen gebe, meint der Autor der Doku offensichtlich ernst.

Immer wieder die RAF

Gleich zu Beginn der Doku wird – unterlegt mit dramatischer Musik – eine Statistik gezeigt, die linksextreme Gewalttaten darstellt. Diese hätten sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Wie der Autor auf die Zahl für 2016 kommt, ist unklar. Der Bundesverfassungsschutzbericht gab für vergangenes Jahr 1.201 linksextreme Gewalttaten an – die Doku nennt allerdings 1.702 solcher Taten.

Unterlegt wird die Statistik mit dem Logo der RAF. Was diese mit heutigen Linksradikalen gemeinsam haben soll, wird nicht erklärt. Lediglich einige provokante T-Shirts, die der RAF huldigen, werden erwähnt. Trotzdem kommt die RAF immer wieder in der Doku vor – wohl um auf die angebliche Brisanz des Themas hinzuweisen.

„Radikale von Links – Die unterschätzte Gefahr“, ZDFinfo, 20 Uhr 15.

Unabhängig von den Zahlen politisch motivierter Gewalttaten wird in der Dokumentation nicht berücksichtigt, dass zahlreiche rechtsextreme Straftaten gar nicht in den offiziellen Statistiken auftauchen. Nicht jede Straftat muss auf gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geprüft werden. Gewalttaten, die erst während der Gerichtsverhandlung als solche anerkannt werden, können nicht mehr in die Statistik aufgenommen werden.

Auch eine bundesweit einheitliche Definition, wann eine Straftat rechtsextrem motiviert ist, gibt es bislang nicht. So kommt eine hohe Dunkelziffer rechtsextremer Gewalttaten zustande. Die Amadeu-Antonio-Stiftung veröffentlicht deshalb regelmäßig eigene Zahlen zu rechtsextremen Gewalttaten.

Stalin und die französische Revolution

Die Dokumentation erweckt insgesamt den Eindruck einer homogenen linken Bewegung, die sich nicht selbst reflektiert, Gewalt befürwortet oder zumindest relativiert. Sie ist unausgewogen und unterschlägt Fakten. AktivistInnen der Roten Flora in Hamburg etwa distanzierten sich von Gewalt während der G20-Demonstrationen.

Trotzdem wird in der Dokumentation im Zusammenhang mit den Protesten kritisiert, dass Bands wie Fettes Brot oder Wir sind Helden in der Roten Flora auftreten. Als weiteres Beispiel linksextremer Gewalt wird eine Demonstration in Leipzig-Connewitz Anfang des Jahres genannt. Diese war eine Reaktion auf die rechtsextreme Partei Die Rechte, die durch den Stadtteil Connewitz marschierte. Dies wird in der Dokumentation auch so erklärt. Aber statt sich über die Zivilcourage der GegendemonstrantInnen zu freuen, werden diese als gewaltbereite ExtremistInnen abgestempelt.

Richtig absurd wird es dann gegen Ende der Dokumentation. Der Off-Sprecher bemängelt eine fehlende Reflexion von LinksextremistInnen in Bezug auf Stalin – aber auch bezogen auf die französische Revolution. Eine Thematisierung der Schattenseiten der Revolution fände nicht statt. Warum der Autor diese im linksextremen Spektrum erwartet und was die französische Revolution konkret mit dem linksextremen Spektrum im 21. Jahrhundert zu tun hat, wird nicht erläutert.

Dazu passt dann auch die Abschlussfrage der Doku. Wie weit ist es noch zum neuen linken Terrorismus? Die Antwort des Off-Sprechers lautet: „Die militante Szene ist zurück. Laut, brutal, eindeutig.“ Endlich braucht man sich nicht mehr mit dem leidigen Thema rechtsextremer Morde und Terrorgruppen oder dem institutionellen Rassismus beschäftigen. Den gefährlicheren Terrorismus findet man, folgt man der Doku, links außen.

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