Missratenes Mädchen

WERKSCHAU Das Zeughauskino zeigt Filme der Regisseurin Maria Lang, die sich 2014 im Alter von 69 Jahren das Leben nahm

Maria Lang kümmert sich um ihre 96-jährige Mutter: „Der Schmetterling im Winter“ (2006) war ihr letzter wichtiger Film Foto: Ute Aurand

von Carolin Weidner

„Es war einmal ein Mädchen das war sehr miraten und es fühlte selbst wie mißraten es war und mit jedem Tag fühlte es wie es richtig etwas wußte und es fühlte deutlich wie gut es war etwas richtig zu wissen und weil es das stark fühlte fühlte es auch wie all sein Wissen so unordentlich in ihm herumlag daß es sich selbst in sich nicht zurechtfand.“

Diese Zeilen schrieb Maria Lang in „Über mich und Gertrude Stein“. Lang, die sich 2014 im Alter von 69 Jahren das Leben nahm, hat regelmäßig geschrieben und in sowie mittels Texten ihre Bezüge erschlossen und reflektiert. Oft handeln sie von Grundsätzlichem: „Wie gesagt ich erfuhr während meines Filmstudiums daß ich eine Frau war die nicht gelernt hat zu verstehen und ich erfuhr auch daß es so richtig kaum noch eine gelernt hat und weil verstehen die Voraussetzung ist für ein Urteil und urteilen die Voraussetzung für handeln und Filmemachen immer ein Handeln sein sollte wurde diese Sache für alle die irgendwie mit Film zu tun haben zu einem Problem.“

Film, das war für Maria Lang eine „sehr seltsame und unheimliche Sache“, die allerdings aussah, wie eine „ganz lustige und alltägliche“. Sie hat Zeit ihres Lebens nur wenige Filme realisiert. Dass anlässlich der Schau im Zeughauskino vom 21. bis zum 24. September nun zusätzlich ein stattliches Büchlein mit Texten Langs erscheint, macht sie damit besonders kostbar. Es vermittelt das Gespräch, das Maria Lang mit sich selbst führte und das noch immer relevant ist; das nicht nur zum Selbstgespräch, sondern auch zum Gespräch zwischen Frauen untereinander auffordern wollte:

„Eine Frau kann weder Aristoteles noch Hegel noch Freud noch Vater Bruder Ehemann zur Voraussetzung ihres Denkens machen. Eine Frau hat nur sich selbst und andere Frauen die ihr helfen können sich bei sich selbst und in der Welt zurechtzufinden.“ „Zärtlichkeiten“ (1985), mit dem die Reihe eröffnet und der sich mit der Westberliner Lesbenszene auseinandersetzt, ist ein burlesker Kommentar zu dieser Erkenntnis.

Eine Frau hat nur sich selbst und andere Frauen die ihr helfen können

Dialogisch dachte wiederum auch die Berliner Filmemacherin Ute Aurand, welche die Retrospektive kuratiert und außerdem die Publikation „Maria Lang – Texte zum Film“ zusammengestellt hat: Nicht nur Arbeiten Langs werden zu sehen sein, sondern auch eigene und die anderer Regisseurinnen. Dabei greift Aurand auf Filme zurück, die sie mit Lang gemeinsam für das Programm ihres monatlichen Filmarbeiterinnen-Abends im Kino Arsenal ab 1990 auswählte. Darunter „Wanda“ (1970) von Barbara Loden oder Recha Jungmanns „Renate“ (1967), dem Porträt eines 13-jährigen Kindermädchens gleichwohl Kindfrau; oder Angelika Beckers „Auf geht’s – aber wohin“ (1989), einem Westberliner Wave-Krimi mit RAF-Appeal. Begeisterung empfand Lang auch für Renate Samis „Die Fahrt nach Kairo“ (1990), der ebenfalls Teil der Schau ist.

Auch Filme von Frauen, die Maria Lang inspirierten, werden zu sehen sein, darunter zwei Arbeiten Chantal Akermans: deren erster Film „Saute ma ville“ (1968), in dem etwas darüber zu lernen ist, was es bedeutet, allein zu wohnen, sowie „Toute une nuit“ (1982). Eine andere wichtige geistige Begleiterin im Leben Langs war Hannah Arendt. Das Gespräch zwischen ihr und Günter Gaus, 1964 für das ZDF gedreht, ist für den Sonntagnachmittag angedacht. Ausdrücklich beschäftigte Maria Lang aber besonders die Frau, für die sie 1991 Berlin verlassen hatte, um ins schwäbische Zusmarshausen zu ziehen: ihre Mutter. „Und aus dem hübschen und bezaubernden Kind das es tatsächlich einmal gewesen war war eine jähzornige ganz und gar unzugängliche junge Frau geworden bei deren Anblick der Mutter das Herz brach“, fixiert Lang das Gefühl in „Ich über mich und Gertrude Stein“.

In „Familiengruft – ein Liebesgedicht an meine Mutter“ (1982) setzt sich Lang mit diesem Verhältnis auseinander, welchem sich Ute Aurand Jahre später als Beobachterin Langs, die fortgezogen war, um ihre Mutter zu pflegen, nähern sollte – das Ergebnis: „Maria und die Welt“ (1995). Am Film „Der Schmetterling im Winter“ (2006) waren indes beide beteiligt. Er zeigt Maria Langs Kümmern um die 96-jährige Mutter.

Die Maria-Lang-Werkschau läuft vom 21. bis 24. 9. im Zeughauskino, Unter den Linden 2. Programm unter: www.dhm.de/zeughauskino