heute in Bremen
: „Eine rote Kaderschmiede“

Premiere Bremer Studierende und die Shakespeare Company inszenieren den „Radikalenerlass“

Eva Schöck-Quinteros

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Historikerin, ist Dozentin am Institut für Geschichtswissenschaften an der Uni Bremen.

taz: Frau Schöck-Quinteros, das Projekt „Sprechende Akten“ feiert sein 10-jähriges Jubiläum. Worum geht es dabei?

Eva Schöck-Quinteros: Das Projekt verbindet Forschung, Lehre und Vermittlung des Themas auf der Bühne. Studierende sollen lernen, wie man in Archiven recherchiert, Quellen interpretiert und diese für die Bremer Shakespeare Company zusammenstellen. Auch Schauspieler interpretieren Quellen!

Wieso setzen Sie sich in Ihrem aktuellen Projekt mit dem „Radikalenerlass“, also der Empfehlung Mitglieder extremistischer Organisationen aus dem öffentlichen Dienst herauszuhalten, auseinander?

In Bremen wurden in den vergangenen Jahren viele Quellen zu diesem Thema an das Staats- und das Uni-Archiv übergeben. Außerdem ist der „Radikalenerlass“ in der Geschichtswissenschaft nicht besonders erforscht. Er war ein wichtiges Thema in den 1970er-Jahren, bis er dann Mitte der 1980er komplett aus der öffentlichen Diskussion verschwand.

Wie wurden die historischen Akten von den Studierenden aufgearbeitet?

Für sie war es zunächst schwierig, sich mit dem politischen Spektrum der 70er-Jahre auseinanderzusetzen. Allerdings bemerkten sie auch schnell den aktuellen Bezug des Themas. Auch heute stellt man sich die Frage, wie mit Menschen im öffentlichen Dienst umgegangen werden soll, deren Meinung grenzwertig zum Grundgesetz ist.

Warum ist es interessant, diese Ereignisse gerade in Bremen zu untersuchen und auf die Bühne zu bringen?

In den 1970er-Jahren gründete sich in Bremen die Universität, welche damals als eine Art „rote Kaderschmiede“ galt. Horst Holzer bekam die Zusage, dass er als Professor berufen sei. Da Holzer DKP-Mitglied war, verhinderte der Senat seine Berufung. Das war das erste Verfahren, das noch vor der Besprechung von Kanzler Willy Brandt mit den Ministerpräsidenten im Jahr 1972 in Gang gesetzt wurde.

Manche Betroffene leben noch. Gab es bei der Aufarbeitung der Akten keine Probleme mit dem Datenschutz?

Wir mussten alle Betroffenen anschreiben und nach ihrem Einverständnis fragen. Am Ende haben wir nur Personen in die szenische Lesung aufgenommen, deren Namen wir nennen durften. Alle anderen Personen, die in den Fällen vorkommen, mussten wir allerdings anonymisieren.

Interview Paulina Hemesath

Szenische Lesung „Staatsschutz – Treuepflicht – Berufsverbot“: 19.30 Uhr, Hochschule für Künste, Dechanatsstraße