Bundesliga-Nordderby: Kühn ohne Kühne

Über das schwache 0:0 gegen Werder könnte den HSV hinwegtrösten, dass Talente den Sprung in die erste Elf schaffen. Bei den Bremern ist davon nichts zu sehen.

Hamburgs Tatsuya Ito kämpft mit Bremens Robert Bauer um den Ball Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Sonnabend, 18.30 Uhr. Beim Fernsehen heißt das „Topspiel“. Im Hamburger Volksparkstadion gähnen trotzdem Lücken. Über 2.000 Plätze sind leer geblieben. Und irgendwie haben die Leute ja auch Recht: HSV gegen Werder, das ist der Tabellen-15. gegen den 17. Der HSV hat seit 360 Minuten kein Tor geschossen, Werder seit April kein Bundesligaspiel gewonnen. Trostloser geht’s nicht.

Am Ende steht es 0:0. Die Bremer haben nicht mehr als zwei halbe Torchancen zuwege gebracht, der HSV wartet nun seit 450 Minuten auf ein Tor. Und doch herrscht beim HSV ein kleines bisschen Euphorie. Weil die Hamburger Werder, wenn auch auf bescheidenstem spielerischem Niveau, eine Dreiviertelstunde lang beherrscht haben. Nur der Bremer Keeper Jiři Pavlenka verhinderte, dass sie dabei zum Torerfolg kamen.

Hoffnung macht den Hamburgern das Personal: Den linken Flügel beackerte ein Mann, den bisher nur kannte, wer auch zu den Spielen der zweiten Mannschaft geht: Tatsuya Ito. Der 20-jährige Japaner, schon seit zwei Jahren beim HSV und vor einer Woche zu einem Bundesliga-Kurzdebüt in Leverkusen gekommen, flitzte die Seitenlinie entlang, grätschte und schlug gefährliche Flanken. Die Werder-Verteidiger wussten sich gegen den 1,63 Meter kleinen Wirbelwind oft nur mit Fouls zu helfen. Nur an der Dosierung seiner Energie muss er noch arbeiten: Nach nicht mal einer Stunde musste er mit Krämpfen vom Feld – unter tosendem Applaus.

Weniger auffällig, aber ebenfalls stark spielte Vasilije Janjičić im defensiven Mittelfeld. HSV-Trainer Markus Gisdol war schon im Mai voll des Lobes für den erst 18-jährigen Schweizer gewesen. Nun hat er den Mut aufgebracht, die etablierten Lewis Holtby und Wallace auf der Bank sitzen zu lassen.

Endgültig aus dem Häuschen waren die HSV-Fans, als kurz vor Schluss noch Jann-Fiete Arp zu seinen ersten Bundesliga-Minuten kam, Kapitän der U17-Nationalelf.

Es mag Zufall sein, aber Gisdols neuer Jugendstil passt zeitlich sehr gut zur Ankündigung des HSV-Investors Klaus-Michael Kühne, (erst mal) kein weiteres Geld für Spieler-Transfers in den Verein zu buttern. Nur einen Tag später hatte Sportchef Jens Todt, der Kühnes Engagement seit jeher für mindestens „zweischneidig“ hält, tapfer die Devise ausgegeben: „Wir müssen eigene Talente durchbringen.“ Tags darauf gab Janjičić sein Saisondebüt, vier Tage später Ito. Ist es am Ende der für seine Spendierhosen viel geschmähte Milliardär, der den HSV auf einen nachhaltigen Kurs bringt, indem er den Geldhahn zudreht?

Wenn der HSV dank seiner jungen Talente nun Licht am Ende eines – wenn auch noch etwas längeren – Tunnels sieht, kann man gleiches vom einstigen Ausbildungsverein Werder Bremen nicht behaupten. Der einzige Stammspieler aus der eigenen Jugend ist Philipp Bargfrede, mittlerweile 30 Jahre alt. In der Startelf stand in Hamburg mit Ulisses Garcia nur einer, der noch als Talent durchgeht – aber auch nur, weil Ludwig Augustinsson verletzt war.

Der Jugendstil passt dazu, dass Kühne nicht mehr zahlen will.

Erst nach einer guten Stunde hatte Trainer Alexander Nouri vom kümmerlichen Treiben seiner Elf genug und brachte mit Maximilian wenigstens einen der Eggestein-Brüder, Werders Versprechen für die Zukunft. Ob es nun an ihm lag, dass der HSV kaum mehr einen Fuß auf die Erde bekam, ist schwer zu sagen, kam doch gleichzeitig in Zlatko Junuzović einer jener verletzungsanfälligen Routiniers auf Feld, von denen Werder so abhängig ist.

Auf eben so einem ruhen die Hoffnungen der Bremer für die mittlere Zukunft: Sie scheinen sich mit dem Gedanken arrangiert zu haben, dass Siege erst wieder möglich sind, wenn Stürmer Max Kruse von seinem Schlüsselbeinbruch genesen ist. Der Top-Scorer der Vorsaison war übrigens auch mal ein Talent, das mit 18 zu Werder kam. Aber das ist elf Jahre her.

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