An den Meistbietenden: Der Bund verkauft Berlin

Für neuen Wohnraum, braucht die Stadt Grundstücke, die im Besitz des Bundes oder der Bahn sind. Statt zu kooperieren, schießen die quer.

Luftbildaufnahme Berlin-fFiedrichshain

Rechts im Bild: Der bisherige BSR-Hof Foto: dpa

BERLIN taz | Nicht immer ist sich der Senat so einig in seiner Liegenschafts- und Baupolitik wie im Falle zweier Grundstücke nahe dem Ostkreuz. SenatorInnen von SPD, Linke und Grünen fordern unisono, dass die Deutsche Bahn die beiden ungenutzten Flächen zwischen Markgrafendamm und Modersohnstraße an die Berliner Stadtreinigung verkauft. Der Betriebshof der BSR könnte dann von seinem derzeitigen Standort an der Warschauer Brücke dorthin umziehen – und so Platz für etwa 400 dringend benötigte neue Wohnungen schaffen.

Doch trotz aller Bemühungen droht das Vorhaben zu scheitern. Das macht deutlich, wie der Versuch Berlins, soziale Stadtentwicklungspolitik umzusetzen, an seine Grenzen stoßen kann. Nicht selten sind es der Bund oder Unternehmen wie die Bahn, die die Schranken setzen.

Denn das Friedrichshainer Bahngelände, 24.000 Quadratmeter groß, wird wohl nicht an die landeseigene BSR gehen, sondern an einen privaten Investor, der einen „spekulativen Preis“ geboten hat. So beschreibt es Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) in einem Brief an Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Bahn AG. Darin bittet sie Lutz, „sich dafür einzusetzen, dass das wirtschaftliche Angebot der Berliner Stadtreinigung zum Zuge kommt“. Das BSR-Angebot konnte sich nicht als bestes Angebot durchsetzen, heißt es dagegen lapidar aus dem Konzern.

Für Berlin ist diese Haltung ein Problem: Die wachsende Stadt braucht neue Wohnungen, nach Schätzungen des Senats 194.000 bis zum Jahr 2030. Und weil sie vor allem bezahlbaren Wohnraum braucht, sind die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gefragt. Doch ohne Grundstücke wird das nichts.

Jüngst beschwerten sich die Gesellschaften in einem Brief bei Lompscher, dass es zu wenig Baugrundstücke gebe und die Planungen durch Anforderungen an Bürgerbeteiligung zu langwierig seien. Die Senatorin widersprach heftig: Die Konzerne sollten ihre „pauschal formulierten Befürchtungen“ für sich behalten. Außerdem seien zuletzt 143 Bauareale unentgeltlich aus dem Landesbesitz an die Gesellschaften gegangen, weitere Übertragungen würden vorbereitet.

Für Lompscher geht es in dem Disput auch darum, dem häufig verbreiteten und auch beim Koalitionspartner SPD beliebten Vorwurf, sie interessiere sich mehr für Bestandsmieten als den Neubau, entgegenzuwirken.

Wichtig für die Stadt

Über die Bahnflächen am Ostkreuz sagt Lompscher zur taz: „Berlin hat ein großes Interesse, diese Grundstücke zu erwerben.“ Einen zu hohen Preis wolle man allerdings nicht zahlen. Ihre Senatskollegin, die für Wirtschaft zuständige Ramona Pop (Grüne), sagt: „Den Städten darf das Leben nicht länger schwer gemacht werden.“

Aber auch ein anderer Player auf Bundesebene macht dem Senat zu schaffen. Auf der Immobilienmesse Expo Real in München bot die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) kürzlich gleich vier Grundstücke in Berlin zum Verkauf an – „zum wirtschaftlichsten Angebot“, wie es im Prospekt hieß. Das heißt, die bundeseigene Gesellschaft verkauft ihre Grundstücke an den Meistbietenden.

Die bundeseigene Gesellschaft Bima verkauft ihre Grundstücke an den Meistbietenden

Im konkreten Fall handelt es sich um Flächen in Pankow, Spandau, Karlshorst und Marzahn, auf denen entweder Wohnungen oder Gewerbe entstehen könnten. Widerspruchslos zusehen möchte der Senat bei diesen Verkäufen aber nicht. „Wir möchten für alle Grundstücke, auf denen Wohnungsbau möglich ist, von der Bima ein Vorkaufsrecht haben“, sagt Lompschers Sprecherin Petra Rohland. Lompscher sei deshalb in Kontakt mit der Bima.

Doch nach der Wahl spielt der Bund offenbar auf Zeit: „Es ist mehr als ärgerlich, dass die Bima die Hängepartie nutzt, um Grundstücke wieder zum Höchstpreis zu verkaufen“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus.

Initiative im Bundesrat

Darüber hinaus versucht der Senat mit einer Bundesratsinitiative, die auch von Bremen und Brandenburg unterstützt wird, das Bima-Gesetz zu verändern. Demnach soll von der „Wirschaftlichkeitsbindung bei der Veräußerung von nicht bundesnotwendigen Liegenschaften“ abgewichen werden dürfen, sofern dies „insbesondere für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“ nötig ist. Zwei ähnliche Initiativen waren in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert.

Die rot-rot-grünen Fraktionen im Abgeordnetenhaus wollen, dass Berlin das erste Zugriffsrecht bei Bahngrundstücken bekommt – einen Antrag, der den Senat auffordert, eine Vereinbarung mit der Bahn zu schließen, haben sie jüngst eingebracht. „Wir wollen diese öffentlichen Grundstücke für die soziale Stadtentwicklung sichern“, sagt die Linken-Sprecherin für Stadtentwicklung, Katalin Gennburg. Handlungsbedarf besteht: In den kommenden Jahren stehen 263 Bahn-Grundstücke zum Verkauf, weitere 451 werden geprüft.

Aber auch Berlin hat noch einen Trumpf. Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne), fordert die Bahn beim Ostkreuz-Grundstück zu einem Verkaufsmoratorium – einem Gespräch zwischen Bahn, Bieter, BSR und Politik – auf. Um dem Nachdruck zu verleihen, kündigt er gegenüber der taz an, dass der Denkmalschutz für alte Lagerhallen auf dem Gelände nicht aufgehoben wird. Zudem arbeite der Bezirk an der Änderung des Bebauungsplans, mit der eine Nutzung für die BSR festgeschrieben werden kann. „Wenn sich in den Gesprächen mit der Bahn keine andere Lösung abzeichnet, ist das die Maßnahme, die wir durchziehen“, so Schmidt.

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