Kolumne Jung und dumm: Das Ende des Handys

Unser Autor hat sein Smartphone entsorgt. Geht das 2017 überhaupt noch? Klar, es gibt ja Emoji-Filme und Telefonzellen.

Alte Telefonzellen stehen nebeneinander aufgereiht.

Telefonzellen? Gibt es sowas noch? Ja, in Frankfurt am Main stehen noch 157 zur Verfügung Foto: dpa

Die Analytik der Macht enthüllt Schillerndes: weiße Zähne, weiche Decken, Süßkartoffelpommes. Zwischen ewigen Glühbirnen und einem Leben in Glücklichkeit lugt das Frittat der Versprechen hervor – wer noch nicht satt ist, der wird satt gemacht. So ist selbst Gemüse nun ein Herrschaftsinstrument.

Auch an der Digitalfront läuft es nicht besser. Ganze Abende vor Instagay statt vor Netfick verbringend, warf ich das Handy mit Tränen in den Scheiben aus dem Augenwinkel raus ins Klo und wurf bitter aus, die Nüstern hindurch hinterher. Furz, blubber. Smartphonesucht-Tante Marianne entsetzt: „Wie? Was?? Du!?!?!“

Zur allgemeinen Vorbeugung gingen wir zusammen in den Emoji-Film. Denn der beschäftigte mich schon seit Monaten. Ich: arm, ostdeutsch, abgehängt. Lügenpresse und Perückenhersteller fraßen mir die Haare vom Kopf ab wie alternde Ökos den Ziegen das Fell. Und nun auch noch das. Ein Film über Bildschirmsymbole. Kann das denn bitte gut gehen?

Und wie! „Süffiges Genre-Kino mit filmhistorischem Knowhow“ (Spiegel-Online-Redakteur Christian Buß. Allerdings in einer „Tatort“-Kritik)! Der Wahnsinn, ein Kunstwerk! Und was für eins! Wow!

Die Handlungsfäden sind schnell im Hirn versprüht, bilden eine kaleidoskopische Deutungsmatrix quer durch den Erzählstoff: Ein Zeichen der Unentschiedenheit, ein Weder-noch-Emoji namens „Möh“ wird seiner Rolle nicht gerecht – und bildet stattdessen je nach Laune alle anderen ab. Es soll sich löschen. Bei der aufregenden Abenteuerjagd durch die Tiefen des „Jeräts“ (Herta M., Hörzu) geht es ab wie ein leprabefleckter Hase mit Hummeln im „Jesäß“ (Horst B., Hämmerle). Kein Auge bleibt trocken! Und auch die Gesellschaftskritik kommt bei allem Haithaythay nicht zu kurz – ein echtes Trump-l’oeil der Sinne.

157 Telefonzellen in Frankfurt am Main

Zufrieden wie das dünne, weiße, normschöne Kleinkind, das ich einst war, verließ ich den Saal. Marianne: weg. Verletzt? Tot? Ich schwor, auf ihr Grab einen Ikea-Katalog zu legen. Und das jede Woche neu.

In einer Stadt wie Frankfurt am Main gibt es 157 Telefonzellen. Auf sie war ich fortan verwiesen. Dort fand ich so einiges: Pizzakartons und Apfeltartestücke, Spritzen und Sprotten, Samen und Blumen darin; einen Taschenkalender der Stadt Söten/Nordheide, einen Onyx in Schildkröt-Design, einmal sogar eine andere (kleinere) Telefonzelle.

Ein neues Handy – aber ein altes

„Nanu“, rief ich entsetzt. „Ist denn schon Sommer?“ Vor lauter Telefonieren hatte ich völlig die Zeit aus dem Blick verloren. Dreieinhalb Wochen war ich nun schon in der letzten gewesen, hatte gequatscht und geplaudert – schließlich hatte sonst ja auch niemand hineingehen wollen.

Für Halloween habe ich mir dann doch noch ein neues Handy gekauft, ein ganz neues – altes. Das billigste und auch das beste. „Supertrend Askese“ (Ulf Poschardt): Der SMS-Speicher ist bei 20 schon voll, die Kamera unscharf, das Coltan dritte Wahl. Wenn jemand anruft, scheppert es dreckig, als sei es das Telefon selbst, das da spricht.

Wenn ich das mal könnte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.