WG aus fernen Pop-Zeiten

KUNSTVEREIN HAMBURG (I) Die Austro-Amerikanerin Kiki Kogelnik schuf Kunst, die aussieht wie aus einer Science- Fiction-Parodie der 60er-Jahre

Trashig mit Silberfolie ausgekleidet ist der große Saal des Hamburger Kunstvereins, wie eine WG aus fernen Pop-Zeiten. Und darauf hängen bunte Bilder voller Körper und Planeten, Bomben und Raketen, Herzen und vielen Kreisen, die entweder auf Druckraster oder Eiskugeln verweisen oder vielleicht gar bunte Pillen sind.

Diese Kunst stammt weitgehend aus dem New York der 60er-Jahre – die Bilder sind eine in diesem Umfang erstmals in Deutschland gezeigte Wiederentdeckung: Gemalt hat sie die österreichische Künstlerin Kiki Kogelnik, 1935 in Graz geboren und 1997 in Wien verstorben.

In ihren Bildern taucht immer wieder die Form der Hand auf. Wie schon in den Handumrissen an den Wänden in der uralten Höhlenmalerei scheint sie ein Zeichen des Wunsches, der Dinge und der Welt habhaft zu werden.

Doch hier streckt sie sich ganz im Sinne des Aufbruchs der 60er-Jahre zu den Planeten aus. Schematische Gliedmaßen und schablonierte Körper schwirren zu fragmentierter Erotik: Auf den Bildern herrscht die polyzentrierte Schwerelosigkeit des Alls oder des Drogen-Rausches, es ist eine physisch und psychisch sehr unstabile Welt voller bös-bunter Aggression zwischen Robotern und puppenhaften Sexbomben, zwischen Bombensex und gänzlicher Entäußerung.

Trotz der kunstgeschichtlich behaupteten feministischen Haltung der Künstlerin erinnert alles ein wenig an Science-Fiction-Parodie in der Art des Films „Barbarella“ – samt außerirdischen Masturbationsmaschinen. Oder an Experimentierfreudige, die ins All gebeamt, aber leider falsch wieder zusammengesetzt wurden: „Plug in Hand“ zeigt einen aufgerollten Arm samt Armbanduhr und endet in einem Elektrostecker.

Noch seltsamer sind die Körperschablonen aus Vinyl, die ganz real über Kleiderbügeln hängen, wie abgezogene Häute aus Michelangelos „Jüngstem Gericht“ oder dem Mythos von Marsyas, dem Apollo zur Strafe die Haut über die Ohren zog. Und für eine Wienerin wie Kiki Kogelnik ist es auch nicht überraschend, dass auch der Tod selbst ab und zu vorbeischaut, wenn auch mit modischer Sonnenbrille. HAJO SCHIFF

bis 30. 12., Hamburger Kunstverein