Niederlande wird Nachhaltigkeitsboss: Die Klimastreber aus Den Haag

Die neue Mitte-rechts-Koalition macht die Niederlande zum neuen weltweiten Ökovorreiter. Allerdings kam das alles nicht ganz freiwillig.

Ein Feld mit rosafarbenen Tulpen

Alles so schön rosa hier! Foto: photocase/rohulya

AMSTERDAM taz | Der Dienstag war ein guter Tag für den niederländischen Nachwuchs. „Unsere Kinder und Enkel können bald gesund aufwachsen“, sagt Gert-Jan Segers, Parteichef der christlich-demokratischen Christenunie. Soeben hatte er mit seinen Amtskollegen von Christdemokraten und den beiden liberalen Parteien VVD und D66 das gemeinsame Regierungsprogramm präsentiert. Es dauerte nicht nur historisch einmalige sieben Monate, bis die Koalitionsvertrag fertig war. Alexander Pechtold, Fraktionsvorsitzender von D66, rühmte diesen gar als den „grünsten Regierungsplan aller Zeiten“.

Wenn eine neue Koalition ihre Regierungspläne bekannt macht, gehört das Bejubeln auch in den Niederlanden zum politischen Handwerk. Bemerkenswert aber ist, dass die neue Mitte-rechts-Regierung, zu der auch ein eigenes Klima-Ministerium gehören wird, bislang ökologischer Superlative relativ unverdächtig war. Was also steckt dahinter?

Eine Niederlage vor dem Bezirksgericht von Den Haag. Bereits 2015 verfügte das Gericht in einem weltweit beachteten Prozess, dass die Niederlande ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 25 Prozent senken müssen. Klägerin war die Nachhaltigkeitsorganisation Urgenda. Laut dem Urteil hätten die damals geplanten Klimamaßnahmen der Regierung nur zu 17 Prozent Reduktionen beim CO2 geführt. Das Gericht berief sich dabei auf die untere Grenze der Reduzierungen, die die Industriestaaten im Kiotoprotokoll 1997 vereinbart hatten. Ein Berufungsurteil steht allerdings noch aus.

„Die Niederlande werden nachhaltig“ – so heißt deshalb nun der entsprechende Abschnitt des Koalitionsvertrags. Auffällig: Die im Pariser Abkommen festgelegte 30-Prozent-Reduzierung von Treibhausgasen wird als „unzureichend“ bezeichnet, weshalb Den Haag nun auf nationaler Ebene eine Verminderung um 49 Prozent bis 2030 anstrebt. EU-weit will man sich sogar für eine Verschärfung auf 55 Prozent einsetzen.

Klimagesetz

Zukünftig sollen, in einem „Klimagesetz“ festgelegt, langfristige klima- und energiepolitische Ziele konkret festgeschrieben werden. Vorläufig wollen die Niederlande ihre Emissionen um jährlich 56 Megatonnen CO2 herunterfahren. Eine Tabelle spezifiziert dieses Vorhaben: Die bei weitem größten Posten liegen in der CO2-Speicherung (18 Megatonnen) und in der Schließung der verbliebenen fünf Kohlekraftwerke (12 Megatonnen) bis 2030. Das erste soll bereits im Jahr 2021 herunterfahren. Ab 2020 sollen Elektrizitätswerke zudem eine CO2-Abgabe zahlen.

Weiterhin geplant: mehr Energieerzeugung auf der Nordsee, eine Lkw-Maut, Besteuerung von Flugtickets und die generelle Abkehr vom Gas-Fokus der niederländischen Energiepolitik der vergangenen Jahre. Letzteres hat allerdings auch damit zu tun, dass die Vorräte im riesigen Gasfeld Slochteren bei Groningen nicht endlos sind. Zuletzt waren wegen der häufigen Erdbeben durch die Gasgewinnung die Fördermengen ohnehin reduziert worden.

Begeisterung stellt sich in den Niederlanden angesichts der Pläne nicht ein. „Das Kabinett sorgt nicht für die nötige Trendwende“, moniert Donald Pols, Direktor von Milieudefensie. In einer Erklärung kritisierte die Umweltorganisation, dass die Reduzierung vor allem durch CO2-Speicherung erreichen werden solle statt durch geringere Emissionen. Die Kosten dafür würden über eine höhere Energiebesteuerung zudem auf die Bevölkerung abgewälzt.

Kritik an der Kohle

Das Klimagesetz, so Pols, sei zwar an sich ein „prächtiges Instrument“, bislang aber noch nicht fest umrissen. Dort gebe es viel zu viele „halben ­Maßnahmen“. Dazu zähle auch, dass erst 2030 alle Neuwagen emissionslos sein sollten sowie die geplanten Investitionen ins Straßennetz. Milieudefensie fordert zudem eine Pkw-Besteuerung zur Verbesserung der Luftqualität.

Auf viel Kritik stößt auch, dass die Schließung der Kohlenkraftwerke erst auf 2030 terminiert wird. „Das“, so eine Stellungnahme von Greenpeace Nederland, „müsste viel schneller passieren“.

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