Angst vor dem Wasser

Neue Klagen gegen die Elbvertiefung: Zwei Städte, Fischer und Bauern befürchten Nachteile durch die Ausbaggerung. Im November soll der Fall vor Gericht

Bedrohte Sommeridylle: Der Grasstrand vor dem Deich von Otterndorf Foto: Ingo Wagner/dpa

Von Sven-Michael Veit

Die umstrittene Elbvertiefung wird zum zweiten Mal ein Fall für das Bundesverwaltungsgericht. Der Planfeststellungsbeschluss für das Projekt weise „erhebliche Mängel“ auf, erklärte am Donnerstag der Hannoveraner Rechtsanwalt Frank Niederstadt, der die Städte Cuxhaven und Otterndorf rechtlich vertritt. Über ihre Klagen will das Leipziger Bundesgericht ab dem 16. November an mehreren Terminen verhandeln. Auch zwei Schleusenverbände sowie mehrere Elbfischer und Obstbauern haben Klagen eingereicht. Sie alle befürchten Nachteile durch die Ausbaggerung.

Cuxhaven und Otterndorf sorgen sich vor allem um die Sicherheit ihrer Deiche auf dem Südufer der Elbe unmittelbar vor der Fahrrinne. Ein wesentlicher Grund ist die vorgesehene Verfüllung der sogenannten Medemrinne-Ost. Diese tiefe Stelle vor Otterndorf soll mit etwa zwölf Millionen Kubikmetern Baggergut aus der Fahrrinne aufgefüllt werden – die beiden Kommunen befürchten dadurch stärkeren Strömungsdruck auf ihre Deiche und höhere Sturmfluten.

Nach den Planungen soll das Unterwasserbauwerk in der bis zu 15 Kilometer breiten Elbmündung die Tide dämpfen sowie die Strömungsgeschwindigkeit und den Wasserdurchfluss verringern. „Das aber wird aus unserer Sicht langfristig nicht funktionieren. Jeder weiß: Wasser bahnt sich seinen Weg“, sagte Niederstadt.

Zudem kritisierte er, dass die Planung seinerzeit vom sogenannten „Bemessungsschiff“ ausgeht: ein Containerfrachter von 350 Metern Länge, 46 Metern Breite und 14,50 Metern Tiefgang. Inzwischen gebe es aber sehr viel größere Frachter der neuesten Generation (siehe Kasten), die Hamburg – wenn auch nicht voll beladen – anlaufen sollen. „Die Auswirkungen dieser großen Schiffe wurden aber in den Planungsunterlagen gar nicht untersucht“, kritisierte Niederstadt. Die Schiffe hätten wegen ihrer enormen Größe eine ganz andere Wasserverdrängung und stärkere Sogwirkungen.

Zwischen Nordsee und Hamburger Hafen soll die Unterelbe auf einer Länge von rund 120 Kilometern auf 19 Meter unter Normalnull (NN) vertieft werden. Dafür müssen mindestens 38,5 Millionen Kubikmeter Schlick vom Grund geholt und zum größten Teil in der Nordsee verklappt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen Lkw-Ladungen.

Ziel ist, dass die Riesencontainerfrachter der neuesten Generation – 400 Meter lang, mehr als 60 Meter breit – mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Metern Tiefgang.

Es wäre die neunte Elbvertiefung: Um 1800 war die Unterelbe nur rund drei Meter tief, 1818 bis 1825 erfolgte die erste Vertiefung auf 5,4 Meter unter NN. Die achte „Fahrrinnenanpassung“, wie das Projekt offiziell heißt, auf 16,8 Meter unter NN erfolgte 1999.

Die Baukosten von gut 600 Millionen Euro trägt zu zwei Dritteln der Bund, zu einem Drittel Hamburg. Weitere rund 160 Millionen Euro für zusätzliche Maßnahmen des Naturschutzes und der Deichsicherung muss Hamburg aufbringen.

Allerdings ist die „Fahrrinnenanpassung“, so der bürokratische Name, zurzeit gestoppt. Am 9. Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht auf Klage von drei Umweltverbänden entschieden, dass der Planfeststellungsbeschluss „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ sei. Jedoch könnten die Mängel behoben werden. Dafür müssten Gutachten erstellt und ökologische Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden, um befürchtete Schäden an Fauna und Flora des Ökosystems Unterelbe auszuschließen oder auszugleichen.

Hierbei geht es vor allem um Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel, eine weltweit nur an der Tideelbe existierende Pflanze. Den Fenchel will Hamburg nun auf einer sieben Hektar großen Fläche auf der Billwerder Insel an der Norderelbe ansiedeln. Vor 2020 ist aber kaum mit dem ersten Spatenstich für die ökologische Ausgleichsfläche zu rechnen.

Vorher kann keinesfalls mit dem Baggern begonnen werden — das Gericht kann sich also Zeit lassen. Ein Urteil ist ohnehin erst nächstes Jahr zu erwarten.