Rassismus im Fußball: Die Zeit des Wegduckens ist vorbei

Kevin-Prince Boateng fordert einen Videobeweis gegen Rassisten im Stadion. Immer mehr Spieler wehren sich – Vorbild sind US-Sportler.

Ein Mann, Kevin-Prince Boateng

Kevin-Prince Boateng fordert einen Videobeweis gegen Rassisten Foto: dpa

Die Banane ist schon fast ein Klassiker im Fußballrassismus. Dunkelhäutige Menschen sind wie Affen, deshalb kann man ihnen auch eine Banane vor die Füße werfen – so die degenerierte Logik rassistischer Vereinsanhänger. Betroffene schweigen aus Angst vor politischer Kontroverse oder begegnen den Angriffen mit Humor.

Dani Alves vom FC Barcelona nahm 2014 einen kräftigen Bissen der auf ihn geworfenen Banane und kommentierte seine Aktion nach dem Spiel wie folgt: „Ich weiß nicht, wer die Banane geworfen hat, aber ich möchte ihm danken. Er schenkte mir Energie für zwei weitere Ecken, die zu einem Tor führten“, sagte der brasilianische Nationalspieler nach dem Spiel.

Der dunkelhäutige Liverpool-Spieler John Barnes kickte 1988 lässig mit der Hacke eine Banane vom Spielfeld, mit dem Anhänger der eigenen Mannschaft ihn beworfen hatten.

Die Message: „Wir lassen uns von euch nicht provozieren.“ Man möchte sich nicht auf das Niveau pöbelnder Rassisten hinablassen. Eintracht-Frankfurt-Spieler Kevin Prince Boateng hat in seinem Umgang mit Rassisten stattdessen auf Konfrontation gesetzt. John Barnes kehrte den Pöblern den Rücken zu – Boateng schoss den Fans des italienischen Viertligisten Pro Patria 2013 einen Ball entgegen, nachdem die Zuschauer Boateng und andere dunkelhäutige Spieler mit Affenlauten beleidigt hatten. Boatengs Mannschaft, der AC Mailand, verließ daraufhin geschlossen den Platz.

Nun hat sich Boateng wieder zu Wort gemeldet und fordert einen Videobeweis bei rassistischen Vorfällen in den Fußballstadien. „Wir schreiben das Jahr 2017 und haben immer noch keinen Weg gefunden, dagegen vorzugehen“, sagte der Boateng in einem Interview mit dem Focus.

Vorbild USA

„Wir haben Torlinien-Technik und den Videobeweis, dass Boateng im Abseits stand und der Elfer nicht gegeben wurde. Aber warum setzen wir nicht die Technik ein, dass jeder rassistische Schreier identifiziert, rausgeschmissen wird und nie wieder zurück ins Stadion darf?“, sagte er. Solche Maßnahmen würden „doch der Menschheit weiterhelfen und nicht nur dem Sport“, meinte Boateng. „In jeder neuen Saison gibt es Vorfälle. Das darf einfach nicht mehr passieren.“

Boatengs Vorschlag mag zwar nicht praktikabel sein – mutig ist er dennoch. Denn er zeigt, dass betroffene Spieler Rassismus nicht länger ignorieren wollen – sondern auf Veränderung drängen.

Ein Blick über den Atlantik zeigt, wie groß der Einfluss von Sportlern auf den politischen Diskurs sein kann. Seit der Football-Spieler Colin Kaepernick im vergangenen Jahr begann, beim Abspielen der Nationalhymne zu knien – um gegen die Benachteiligung von Afroamerikanern in der US-Gesellschaft zu demonstrieren -, wird das Thema Rassismus in den USA breiter diskutiert.

Überhaupt haben die USA eine gewisse Tradition der politischen Meinungsäußerung von Spitzenathleten. Die Box-Legende Muhammad Ali prangerte während seiner gesamten Karriere Rassismus an. 1967 verweigerte er den Militärdienst und gab zu Protokoll: „I ain't got no quarrel with them Vietcong.“ Ein Jahr später protestierten die Leichtathleten John Carlos und Tommie Smith bei der Medaillenvergabe im Rahmen der Olympischen Spiele in Mexico-City mit erhobener Faust gegen die soziale Benachteilung der Afroamerikaner in den USA.

In Deutschland hat sich eine derartige Protestkultur nie durchgesetzt. Es wirkt, als erwarte man von Sportlern, Rassismus einfach zu ignorieren und der (mehrheitlich weißen) fußballafffinen Zivilgesellschaft den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit zu überlassen.

Flankiert wird das Ganze von halbherzigen Anti-Rassismus-Initiativen des DFB. Beim Training der Nationalmannschaft im Millerntorstadion 2013 ließen die Fußballoberen dann ein antirassistisches Plakat abhängen.

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