Gastkommentar Koalitionsgespräche: Jamaika im Konklave verhandeln

Die Parteien sollten hinter verschlossenen Türen verhandeln, professionell moderiert – warum nicht auch mit einem Bürgerbeirat?

zwei Menschen umringt von Journalist_innen mit Mikros

Vielleicht erstmal miteinander reden, statt jedes hingehaltene Mikrophon zu bedienen Foto: dpa

An den Koalitionsverhandlungen missfällt das höfische Zeremoniell, wir erleben lächerliche Balkonauftritte, Themen­salat in Talkshows, ein zwischen Kumpanei und Rosenkrieg schwankendes Schaulaufen. Und das Schweigen der Kanzlerin, von deren Richtlinienkompetenz und Führungswilligkeit doch so viel abhängt, um eine soziologisch nahestehende, aber weltanschaulich heterogene Konstellation zu formen.

Zu wünschen wäre da zunächst eine professionelle Moderation, die neutral in den Positionen, aber fest in der Zielsetzung ist. Politiker halten dergleichen leider für Pipifax, ihre Eitelkeit verbietet es ihnen, sich dem „Art of Hosting“ zu unterziehen, um nur eine Methode zu nennen, die in Unternehmen und anderen Organisationen bei sehr viel weniger gravierenden Einigungsprozessen eingesetzt wird – zum allseitigen Nutzen. Im Vergleich zu solchen Routinen verhalten sich politische Führungskräfte beratungsresistent.

Sodann wäre ein Pressemoratorium fällig, statt jedes hingehaltene Mikrophon zu bedienen. Das Koalitionskonklave soll sich erklären, wenn es sagen kann: „habemus coalitionem“. Hinter geschlossenen Türen zu verhandeln, steigert die Chance zum Kompromiss, der als Lebenselixier und Schmiermittel demokratischer Politik zu würdigen ist.

Und der Spielraum weitet sich, wenn das Spielfeld arbeitsteilig beackert und das Spiel durch eine Kanzlerin mit Überblick bestimmt wird – und nicht durch einen eifersüchtigen Wächterrat namens Koalitionsausschuss.

Um das demokratische Element zu stärken, sollte bei Koalitionsverhandlungen ein parallel tagender Bürgerrat einberufen werden. In ihm sitzen rund 20 Personen, zusammengesetzt aus zehn Parteigängern und zehn Parteilosen, die ihre eigene Agenda setzen und einen Koalitionsvertrag präsentieren.

Klingt das utopisch oder naiv? Mag sein, aber es könnte allemal zielführender sein als der Prozess, dem wir zum allgemeinen Politikverdruss gerade beiwohnen.

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ist Professor für Politikwissenschaft und mit Patrizia Nanz Autor des Buches „Die Konsultative. Mehr Demo­kratie durch Bürgerbeteiligung“(2016).

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