Kommentar Entsenderichtlinie der EU: Sozialdumping ohne Ende

Die EU-Entsenderichtlinie zeigt: Ein soziales Europa bleibt weiter ein Traum. Der Kompromiss enthält zu viele Ausnahmen

Emmanuel Macron gestikuliert

Emmanuel Macron ist zufrieden. Wie lange noch? Foto: dpa

Das Prozedere erinnerte an die schlimmsten Tage der Eurokrise. Stundenlang saßen die Arbeits- und Sozialminister in Luxemburg zusammen, immer wieder wurde die Debatte unterbrochen. Erst in der fünften Runde kam es endlich zu einer Einigung. Doch von einem Durchbruch kann im Streit um die Entsenderichtlinie und das damit verbundene Lohn- und Sozialdumping nicht die Rede sein.

Denn der Kompromiss, der am späten Montagabend gefunden wurde, enthält immer noch zu viele Schlupflöcher. Die Entsendung von Arbeitnehmern etwa aus Polen oder Bulgarien nach Deutschland oder Frankreich wird zwar auf zwölf Monate begrenzt. Aber sie kann noch einmal um sechs Monate verlängert werden. Die neuen Regel gelten zwar für alle Arbeitnehmer. Aber für Brummi-Fahrer soll es weiter Ausnahmen geben.

Damit fällt der Kompromiss weit hinter das zurück, was das Europaparlament gefordert hatte. Die EU-Abgeordneten haben – eine Woche vor dem Beschluss im Ministerrat – gezeigt, wie man es richtig macht. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ war ihre Devise. Die Minister, also die EU-Länder, tun sich damit immer noch schwer. Polen stimmte dagegen, Großbritannien enthielt sich.

Und Frankreich? Präsident Emmanuel Macron hatte sich an die Spitze der Reformer gesetzt. Auf einer Tour durch Mitteleuropa hatte er vehement für Änderungen an der Entsenderichtlinie geworben. Dabei fielen auch harsche Töne. Umso versöhnlicher gibt sich Macron nun. Das sei ein großer Tag für das soziale Europa, heißt es im Elysée-Palast, Macron feiert seinen ersten großen Erfolg.

Die Arbeitgeber in Deutschland haben sich gegen die Reform ausgesprochen, weil sie von den Billiglöhnern aus Osteuropa profitieren

Er sollte sich nicht zu früh freuen. Denn die Front der Verweigerer ist noch nicht gebrochen. Dazu zählen neben etlichen Osteuropäern auch die Arbeitgeber in Deutschland. Sie haben sich gegen die Reform ausgesprochen, weil sie von den Billiglöhnern aus Osteuropa profitieren. Auch die FDP steht auf der Bremse. Deutschland ist kein so sicherer Partner, wie Macron glaubt.

Und die letzte, entscheidende Schlacht kommt erst noch. Der Ministerrat, das Europaparlament und die EU-Kommission müssen sich im so genannten Trilog auf die endgültige Fassung der reformierten Entsenderichtlinie einigen. Dabei kann es noch Verbesserungen geben, aber auch Verschlimmbesserungen. Die Anhänger des sozialen Europa sollten nicht zu früh „Hurra“ rufen.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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