Jugendsozialarbeit auf dem Alexanderplatz: „Wir wollen präventiv wirken“

Sozialarbeiter Tino Kretschmann macht auf dem kriminalitätsbelasteten Alexanderplatz in Berlin-Mitte Jugendarbeit mit jungen Geflüchteten.

Ein eher anonymer Ort: der Alexanderplatz in Berlin-Mitte. Foto: dpa

taz: Herr Kretschmann, neben einer Polizeiwache bekommt der Alexanderplatz nun auch einen Stützpunkt für Sozialarbeit. Wie sieht der aus?

Bisher gab es lediglich ein Platzmanagement, das mit kleinen Projekten versucht hat, jugendfreizeitorientiert zu arbeiten. Räume dafür, geschweige denn ein Haus, gab es nicht. Jetzt bekommen wir einen 30 Quadratmeter großen Raum in Containerbauweise. Bis Ende 2018, vielleicht auch länger, soll der als Treffpunkt für die Jugendlichen und als Ausgangsort für die Sozialarbeit fungieren.

Mehrere Hundert Jugendliche treffen sich auf dem Alex täglich. Einige sind wohnungslos, manche dealen, Alkohol und harte Drogen werden konsumiert, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Haben Sie eine spezielle Zielgruppe im Auge?

Uns geht es um die Gruppen, die sich länger am Fernsehturm aufhalten. Besonders im Blick haben wir dabei die Geflüchteten. Für sie gibt es bisher kaum Angebote, was Straßensozialarbeit betrifft. Grundsätzlich wollen wir aber alle Jugendlichen ansprechen. Mit gemeinsamen Aktivitäten wollen wir präventiv wirken.

Der Alex ist einer von zehn kriminalitätsbelasteten Orten Berlins. Täglich werden zwei Körperverletzungen und sieben Taschen- und Ladendiebstähle angezeigt, pro Woche acht Drogendelikte. Der Platz ist beliebter Treffpunkt junger Leute, auch geflüchteter.

Die Polizei will auf dem Platz präsenter sein. Ende des Jahres wird dort eine neue kleine Wache eröffnet. Der für den Alex zuständige Polizeiabschnitt wird mit 20 Kräften verstärkt.

Am Freitag eröffnete Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf dem Alex den neuen Jugend­aktionsraum Jara für junge Geflüchtete. Träger ist der Moabiter Ratschlag.

Was können Sie in Zukunft, was Sie vorher nicht konnten?

Bisher hatten wir vor Ort überhaupt keine Infrastruktur. Alle Dinge, die wir für Aktivitäten brauchten, mussten wir zum Alex schleppen und abends wieder zurück: Volleyballnetze, Skateboards, Spraydosen für die Grafittiwand und so weiter. In Zukunft können wir das in unserem Container lagern. Was aber noch wichtiger ist: Wir haben auf dem Alex endlich einen sichtbaren Treffpunkt, aus dem heraus wir planen und arbeiten können.

Die Senatsverwaltung für Bildung und Jugend hat bis Ende 2018 rund 140.000 Euro für das Projekt zugesagt. Was können Sie davon finanzieren?

„Es geht darum, auf dem anonymen Platz eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen“

Das ist eine Verdreifachung unserer bisherigen Mittel. Der Container wird vier Tage die Woche vom Nachmittag bis zum frühen Abend geöffnet sein. Es wird zwei Fachkräfte geben und dazu deutlich mehr Honorar- und Werkvertragsmittel. Davon können wir für bestimmte Projekte auch Künstler und andere kreative Leute anheuern.

Wie lange sind Sie persönlich schon auf dem Alex tätig?

Ich bin seit vier Jahren im Rahmen des Platzmanagements dort tätig und Sprecher der AG Alexanderplatz, die dort die Straßensozialarbeit vernetzt. Aber die ist eher einzelfallorientiert, es geht nicht darum, den Sozialraum zu verändern. Das aber ist unser Ziel. Wir wollen den Sozialraum und die jungen Menschen positiv in Verbindung bringen.

Was heißt das?

Wir hoffen, dass junge Menschen, die noch nicht in die Kriminalitätsstrukturen abgerutscht sind, bei uns andocken. Es geht darum, auf dem eher anonymen Platz eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, in der sich die Jugendlichen öffnen können und man auf ihre weitere Entwicklung Einfluss nehmen kann.

Freitag hat Jugendsenatorin Scheeres den Container eröffnet. Wann geht es richtig los?

In zwei bis drei Wochen. Gerade wird im Container der Strom angeschlossen.

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