Die Wahrheit: Weib in Flammen

Die Sexismusdebatte beschädigt auch den unsterblichen Nachruhm Hans Albers. Seine Filme sollen mit neuen Darstellern nachgedreht werden.

Hans Albers und Hildegard Knef umarmen sich

Knef kneift Albers Foto: United Archives

Sie hätte so schön werden können, die große Hans-Albers-Retrospektive im neueröffneten Programmkino Germania in Regensburg: Fast alle bedeutenden Filme, in denen der „blonde Hans“ aufgetreten war, lagen für die Aufführung im Spätherbst bereit – unter anderem „Weib in Flammen“, „Vererbte Triebe“, „Der blaue Engel“, „Bomben auf Monte Carlo“, „Münchhausen“, „Große Freiheit Nr. 7“, „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ und „Das Herz von St. Pauli“. Doch dann kam es knüppeldick: Feministinnen bezogen vor dem Kino eine Mahnwache und riefen zum Boykott der Retrospektive auf. Zur Begründung ihrer Aktion verwiesen sie auf einen von Hans Albers begangenen sexuellen Übergriff.

Und in der Tat – in seiner 1998 veröffentlichten Autobiographie „Meine sieben Leben“ hatte der Schauspieler Harald Juhnke nicht nur die Trinkfestigkeit seines verehrten Kollegen Hans Albers hervorgehoben („Dieser Mensch vertrug mehr als eine ganze Kneipe voller Schnapsnasen“), sondern auch von dessen unangemessenem Verhalten gegenüber einer Statistin bei den Dreharbeiten zu dem Spielfilm „Der tolle Bomberg“ berichtet.

Männlichkeit in der Drehpause

Wörtlich heißt es auf Seite 179: „In einer Drehpause winkte er mich zu sich: ‚Kleener, siehste die junge Schauspielerin da neben der Kamera?‘ – ‚O ja, Herr Albers, die sehe ich wohl.‘ – ‚Meinste, daß das Mädel mich kennt?‘ – ‚Aber Herr Albers, das ist doch selbstverständlich.‘ – ‚Nee, ob sie mich wirklich kennt?‘ Bevor mir eine Antwort einfiel, ging er auf die Statistin zu: ‚Gestatten, mien Deern, Albers, ich möchte mich gerne vorstellen.‘ Sprach es, öffnete seinen Hosenstall und legte ihr vor versammelter Mannschaft seine Männlichkeit in die zurückzuckende Hand. Hätte es damals schon die bunte Presse gegeben, Hans wäre ihr wohl jeden Tag einen Balken wert gewesen.“

„Wir protestieren gegen die Vorführung von Filmen eines Sexisten, der sich bis heute nicht für seine Tat entschuldigt hat“, erklärten die Demonstrantinnen in einer Pressemitteilung. Der Einwand, dass Albers 1960 gestorben sei, verfing bei ihnen ebenso wenig wie die Stellungnahme des Kinobesitzers Utz Spohnleitner, der seine Programmgestaltung in einem Interview mit Antenne Bayern verteidigte: „Dem Publikum kann es doch ganz egal sein, was ein Schauspieler in der Drehpause macht. Wenn er dabei gegen das Gesetz verstößt, ist er nicht dem Publikum Rechenschaft schuldig, sondern dem Staatsanwalt. Und selbst dem gegenüber darf er die Aussage verweigern. Im Übrigen ist diese Tat verjährt.“

Da im Internet inzwischen sogar zu Anschlägen auf das Kino aufgerufen worden ist, hat Spohn­leitner die geplante Retrospektive schweren Herzens verschoben und sich für einen ungewöhnlichen Rettungsplan entschieden: „Wir drehen alle Szenen nach, in denen Hans Albers vorkommt, und ersetzen ihn durch Amateurschauspieler aus Regensburg, die eine reine Weste haben, was ihr Flirtverhalten betrifft. Dann schneiden wir die Szenen in die alten Filme rein. Aber vorher testen wir die Ersatzmänner auf Herz und Nieren. Das ist ein etwas aufwendiges Casting, aber wir wollen jetzt auf Nummer sicher gehen …“

In einem Hinterzimmer des Kinos schließt Spohnleitner einen Kandidaten an den Lügendetektor an. „Bereit?“ – „Jo.“ – „Haben Sie sich jemals ungebührlich gegenüber einer Frau benommen?“ – „Naa.“ – „Haben Sie jemals einer Frau einen Schimpfnamen gegeben?“ – „Öh … I woaß ned … Flitscherl vuileicht … Brunzkachl … oda Mistpritschen …“ – „Raus! Auf Leute wie Sie können wir hier verzichten!“

Dreck am Stecken

Das Auswahlverfahren ist streng. Wer Dreck am Stecken oder auch nur ein loses Mundwerk hat, fliegt raus. Außer Acht lassen muss Spohnleitner dabei leider das Kriterium der äußeren Ähnlichkeit mit Hans Albers, denn sonst wäre es völlig unmöglich, in Regensburg jemanden aufzutreiben, der in die Bresche springen könnte.

Bislang ist noch keiner der Kandidaten in die engere Wahl gelangt. „Bei einem hatten wir uns Hoffnungen gemacht“, sagt Spohnleitner. „Aber dann hat sich herausgestellt, dass er von seiner Großmutter vor zwanzig Jahren bei einem Dreier mit einer Bierkönigin und einer Zwiebelkönigin ertappt worden ist. Solche PR können wir nicht brauchen. Ich weiß nun allmählich auch nicht mehr weiter. Wenn wir nicht bald zu einem Ergebnis kommen, werden wir die Szenen wohl mit einem unbescholtenen Kastanienmännchen nachdrehen müssen. Oder mit einem Schlumpf …“

Der Vorverkauf für die auf den Dezember 2018 verschobene Hans-Albers-Retrospektive hat unterdessen begonnen, und wie man hört, werden die Karten bereits knapp, weil alle Welt sehen will, wie sich die Regensburger aus der Affäre ziehen. Am höchsten werden auf dem Schwarzmarkt die Eintrittskarten für die Filme „Auf Befehl der Pompadour“, „Am Scheidewege“ und „Die versunkene Flöte“ gehandelt. Aktueller Spitzenpreis für einen Logenplatz: 750 Euro.

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kari

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