Identitäre Bewegung in Deutschland: Weiche Rechte auf die harte Tour

Die sogenannten Identitären geben sich als gewaltfreie rechte Hipster. Dass dieses Image bröckelt, zeigt die Lage um ein Wohnhaus in Halle.

ein gelber Aufkleber der Identitären, der auf einem FDP-Wahlplakat klebt. Darauf steht „Integration ist eine Lüge“

Nicht alles ist so harmlos wie dieser Aufkleber der Identitären in Tübingen Foto: dpa

BERLIN taz | Nachdem die Linken Flaschen auf das Identitären-Haus geworfen haben, stürmen zwei Männer aus der Tür. Sie sind maskiert und mit Schild, Helm und Baseballschläger bewaffnet. Als sie auf zwei Passanten treffen, besprühen sie diese mit Pfefferspray. Indes: Es sind Zivilbeamte, die sich nun zu erkennen geben. Die Identitären aber rücken nicht ab. Erst das Zücken der Dienstwaffen setzt der Aktion ein Ende.

Zwei Wochen liegt dieser Vorfall in Halle/Saale zurück, aber er beunruhigt noch immer die Sicherheitsbehörden. Denn lange gaben sich die Identitären in Deutschland als Gruppierung rechter Hipster, stets darauf bedacht, ihre Gewaltlosigkeit zu betonen. Dieses Image bekommt nun Risse.

Schon zuvor hatten Identitäre auf der Frankfurter Buchmesse ein Handgemenge mit Gegendemonstranten provoziert. Auf einer Demonstration in Berlin lieferten sich Anhänger der Gruppierung Auseinandersetzungen mit der Polizei. Und nach einer Aktion vor dem Bundesjustizministerium wurde ein Identitärer mit Haftbefehl gesucht, weil er einen Polizisten mit einem Transporter fast umgefahren hatte.

Von der „Radikalisierung“ einiger Mitglieder sprach der Bundesverfassungsschutz schon vor einigen Wochen. Die „Widerstandsrhetorik“ der 400 Mitglieder zählenden Gruppierung habe zugenommen. Allein vom Frühjahr 2015 bis zum April dieses Jahres musste sich das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum der Sicherheitsbehörden ­45-mal mit den Identitären beschäftigen.

„It’s okay to be white“

Vor allem das neue Identitären-Haus in Halle bereitet den Behörden Sorgen. Vor zwei Wochen feierten die Bewohner dort offiziell Einweihung. „It’s okay to be white“, hieß es auf Einlassarmbändern, den Rassismus kaum verhehlend. Man wolle ein „patriotisches Leuchtturmprojekt“ schaffen, kündigen sie an, „immer bereit, uns schützend vor unser Haus zu stellen“.

Tatsächlich attackierten zuletzt Autonome wiederholt das Haus – und die Identitären halten dagegen. Im November durchsuchte die Polizei die Räume, nachdem Anhänger der Gruppe Studenten in einer Mensa bedroht und dabei ein Messer, Pfefferspray und Quarzsandhandschuhe bei sich trugen. Vor einer „zunehmenden Emotionalisierung“ der Auseinandersetzung um das Identitären-Hauptquartier warnt das Innenministerium Sachsen-Anhalt: Es bestehe „die Gefahr einer Eskalation“. Inzwischen wird das Haus überwacht, wie die Stadt Halle bestätigt.

Man sei „immer bereit, uns schützend vor unser Haus zu stellen“

Tatsächlich ziehen die Identitären ihre Rhetorik weiter an. „Reconquista“ lautet der Schlachtruf der Gruppierung – „Rückeroberung“. Als „Kriegserklärung“ wurde schon früh die Einwanderung bezeichnet, die politische Gegenseite als ein „an Körper und Geist verrotteter Antifa-Haufen“.

Martin Sellner, Wortführer der Bewegung, sagte vor einer Woche auf der Konferenz des Rechtsaußen-Magazins Compact in Leipzig, man spreche derzeit von einer „Jagd­stimmung“. Einer, „in der wir unser Volk und Land zurückholen“.

Und es sind nicht wenige Identitäre, die eine dafür einschlägige Vita haben – und früher bei der NPD-Jugend oder Kameradschaften mitmischten. Einer davon gehört zu den Anführern des Hauses in Halle. Mario Müller ist ein früherer ­Kameradschaftler, verurteilt wegen Körperverletzung. „Wir haben nicht den Eindruck, dass diese Leute ihre Ideologie beim Wechsel zu der Identitären-Bewegung an der Garderobe abgelegt haben“, sagte jüngst Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen.

Die Stadt Halle möchte die Identitären loswerden. Die Stadt unterstütze den friedlichen Protest gegen die Gruppe, sagte Bürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) der taz. „Das rechtsextreme Zentrum ist in der Stadt nicht erwünscht.“

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