Kolumne Air de Paris: Der Eiffelturm würde weniger vermisst

Er war Yéyé, Rock ’n’ Roll und Blues: Johnny Hallyday ist tot. Und auch der französische Schriftsteller und Journalist Jean d’Ormesson.

Der Sarg von Johnny Hallyday fährt in einem Auto dem Trauerzug voran in der Nähe des Place de la Concorde

In den Straßen von Paris: der Trauerzug mit dem Sarg von Hallyday am 9. Dezember 2017 Foto: reuters

Es gibt Momente des Lebens in Frankreich, da steht man, egal wie lange man schon dort lebt, egal wie gut man es zu kennen glaubt, vor diesem Volk, oder besser gesagt mittendrin, und ist fasziniert. In dieser Woche verlor Frankreich gleich zwei große Männer: am Dienstag Jean d’Ormesson, am Mittwoch Johnny Hallyday. Diese Männer waren weder Politiker noch Kriegsherren, sie waren keine Entscheider, sie waren nicht das, was man gemeinhin mächtig nennen würde.

Und trotzdem waren sie es, das wurde vergangene Woche plötzlich ganz klar. Meine Mutter würde etwas hochtrabend sagen, sie waren „die Seele Frankreichs“, und vielleicht ist das noch nicht einmal falsch. An den beiden Tagen, am Dienstag und am Mittwoch, herrschte Ausnahmezustand. Alle Radiosendungen wurden gestrichen für Specials.

Den ganzen Tag lang hörte man Jean d’Ormesson mit weicher Stimme sprechen,, immer zu einem Scherz, einem „bon mot“, aufgelegt. Über Literatur, natürlich, über Frankreich, über die Frauen, die er liebte, über die Welt, die es zu entdecken galt, über das Leben, das er mit seinen zweiundneunzig Jahren immer noch wundervoll fand. Und dann hörte man, hört man seit vergangenem Donnerstag Johnny Hallyday. Johnny, wie alle sagen.

Sein Verschwinden rüttelt noch mehr an der französischen Seele, einfach weil „Johnny“ immer da war. Für die Nachkriegsgeneration, ihre Kinder, ihre Kindeskinder. 1962 war er, wie er damals unter de Gaulle sang, „L’Idole des ­jeunes“, er war Yéyé, Rock ’n’ Roll, Blues. Er war es, der die Franzosen im Dezember 1999 auf den Champs Élysées in die Jahrhundertwende begleitete, der im vergangenen Jahr am ersten Gedenktag der Anschläge auf Charlie Hebdo auf der Place de la République sang.

Meine Mutter würde etwas hochtrabend sagen, sie waren „die Seele Frankreichs“, und vielleicht ist das noch nicht einmal falsch

Patrick Bruel, der Sänger, sagte am Samstag während der Gedenkfeier in der Église de la Madeleine: „Es ist, als hätte man über Nacht die Tour Eiffel geklaut. Nur hätte der alte Turm mir weniger gefehlt.“ Mehrere tausend Menschen waren gekommen: junge und alte, mehr alte, Rocker auf Motorbikes, Menschen, die normalerweise nicht in dieser Ecke von Paris herumstehen, standen da am Samstagmorgen unter einem strahlend blauen Himmel an den Champs Élysées, der Place de la Concorde, der Place de la Madeleine, um ihrem Idol die letzte Ehre zu erweisen. Sie weinten, lachten, tanzten, umarmten sich und sangen seine Lieder.

„Egal wer ihr seid, egal wo ihr seid, klatscht ein letztes Mal für Johnny“, forderte Emmanuel Macron auf, der die Zeremonie mit einer Rede eröffnete. Und Tausende Menschen klatschten gemeinsam im Herzen von Paris. In solchen Momenten schaut man sich um und kann nur gerührt sein darüber, wie sehr sich dieses stets meckernde, gespaltene Volk in seiner Liebe zu einem Sänger, einem Schriftsteller, zu zwei großen Männern der Kunst, wiederfinden und vereinen kann.

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