Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Leiterstoffe, halb giftig, halb surreal

Beate Scheder empfiehlt Rita McBrides fünfeckige Leitplanken, giftige Gemälde von Ella Goerner und Falafel als Erinnerungsobjekte bei Dafna Maimon.

Dafna Maimon, „Orient Express“, Galerie Wedding, 2017, Installationsansicht Foto: Galerie Wedding

Im Alltag fristen Leitplanken ein Schattendasein. Dabei ist ihre Funktion durchaus bemerkenswert, sorgen sie im Straßenverlauf doch sprichwörtlich dafür, dass keiner vom Weg abkommt. Allerdings kommt man so einfach auch nicht dazu, sie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Düst man an ihnen vorbei, verschmelzen sie zu Linien in der Landschaft, prallt man dagegen, hat man gewiss anderes im Kopf als über deren Rolle im öffentlichen Raum zu reflektieren. Nachholen lässt sich das nun bei Konrad Fischer, wo Rita McBrides knallblaue „leitplanken“ einen fünfeckigen Einbau inmitten der Galerie umschließen. Einfach so, jenseits von Funktionalität, aber umso auffälliger .

Konfliktmineralien

Besondere Eigenschaften besitzen auch die Stoffe, mit denen sich Ella Goerner auseinandersetzt. Das Schwermetall Wolfram zum Beispiel, das aufgrund seines hohen Schmelzpunktes früher in Glühbirnen steckte und heute überwiegend in elektronischen Geräten verarbeitet wird.

Bedenklich ist das in mehrfacher Hinsicht. Wolfram steht auf der Liste sogenannter Konfliktmineralien und außerdem unter Verdacht gesundheitsschädlich zu sein. Auf Goerners Gemälde „dubbing tungsten“ hängt es als sinister dreinblickender Geist an der Zimmerdecke.

Es ist Teil einer Serie digitaler Malereien, die Goerner derzeit präsentiert von The Composing Rooms im Zweitraum von Pushkin & Gogol zeigt. Mineralerze schweben darauf auf Farbwirbeln durch architektonische Interieurs, so pittoresk, dass man es glatt für das Editorial eines Modemagazin halten könnte, wäre da nicht der ökoaktivistische Impetus der Sujets.

Konrad Fischer Galerie

Di.–Sa. 11–18 Uhr,

bis 17. 2. 2018, Lindenstr. 35

The Composing Rooms,

Besuch nach Vereinbarung: tcr@thecomposingrooms.com,

bis 15. 1. 2018, Schillerstr. 6

Galerie Wedding

Di.–Sa. 12–19 Uhr, bis 13. 01. 2018,

Müllerstr. 146/147

Hinweis: Rundgang mit Dafna Maimon und Kuratorin Solvej Helweg Ovesen am 14. 12. um 17 Uhr

Orient Express

Weniger giftig – zumindest auf den ersten Blick – sind die Bällchen, die bei Dafna Maimon die Hauptrolle spielen: Falafel. In der Galerie Wedding hat die Künstlerin den Imbiss ihres Vaters wieder aufgebaut, den dieser in den 1980er-Jahren als ersten Dönerladen Helsinkis eröffnete. Zu essen gibt es in ihrem „Orient Express“ zwar nichts, aber man kann sich den Werbefilm ansehen, den Maimons Vater damals entwickelte.

Der wäre in seiner halbsurrealen 80er-Jahre-Anmutung an sich schon sehenswert; Maimon nimmt ihn noch dazu als Ausgangspunkt für eigene Versionen, in denen sie mit Untertiteln und Perspektivwechseln Exotismen, Identitätsfragen sowie Erinnerungen an ihre Kindheit und ihren patriarchalen, notorisch untreuen Vater nachspürt.

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

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