Jerusalem als Israels Hauptstadt: Der US-Präsident ist disqualifizert

Was verspricht sich Trump von der Anerkennung Jerusalems? Seine Entscheidung hat Einfluss auf ein mögliches Nahostabkommen.

Menschen verbrennen auf einem Platz eine US-Flagge und eine israelische Flagge

Viele Palästinenser sind wütend über Trumps Entscheidung – Gaza-Stadt am 6. Dezember Foto: reuters

JERUSALEM taz | Auf dem Platz vor der Geburtskirche in Bethlehem brannten in der Nacht Plakate mit dem Foto des US-Präsidenten Donald Trump. Dafür gibt es einen Grund: Noch Mittwochabend will er eine Erklärung abgeben und dann vermutlich Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. In einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kündigte er Dienstagabend den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem an, was dieselbe symbolträchtige Bedeutung hat.

Trump ignorierte Abbas' Warnung, dass ein solcher Schritt „gefährliche Konsequenzen“ nach sich ziehen werde. „Drei Tage des Zorns“ rief die Fatah, eine politische Kraft in den palästinensischen Autonomiegebieten, ab Mittwoch aus. Die islamistische Hamas im Gazastreifen kündigte ein Wiederaufleben der Intifada an, des Aufstands gegen Israel. Israels Sicherheitsapparat bereitet sich auf eine Eskalation vor. Schon in der Nacht kam es zu mehreren Verhaftungen im Westjordanland.

Konkret würde sich mit der veränderten Sichtweise der USA auf Jerusalem zunächst nicht viel ändern. Ostjerusalem könnte und soll sogar, wenn man die Diplomaten des Weißen Hauses hört, künftige Hauptstadt eines möglichen palästinensischen Staats sein. Selbst wenn die US-Botschaft verlegt wird, sei ein politisches Abkommen zwischen den Palästinensern und Israelis möglich. Dennoch jubelte Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei Das jüdische Heim, über ein „vereintes Jerusalem“.

Völlig unklar bleibt vorerst, welchen Nutzen sich Trump von einer veränderten Sicht auf Jerusalem verspricht, ausgerechnet jetzt, wo er glaubt, ein Nahostabkommen vor Augen zu haben, und sich selbst als Friedensbringer sieht. Der Plan für erneute direkte Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinenserorganisationen steht angeblich unmittelbar vor einer Veröffentlichung.

Mögliche Folgen auf diplomatischer Ebene

Seit Monaten arbeitet der US-Sondergesandte Jason Greenblatt gemeinsam mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner an der Vorbereitung für neue Friedensverhandlungen, bei denen sunnitische Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Jordanien, Pate stehen sollten. Eine Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt würde nicht nur die arabischen Partner vor den Kopf stoßen, sondern die Palästinenser gar nicht erst zu Verhandlungen erscheinen lassen. Trump sei als Vermittler bei künftigen Verhandlungen disqualifizert, wütete Nabil Schaat, enger Berater von Abbas, und fügte auf Englisch hinzu: „He's out.“

Gänzlich unwillkommen sind die Entwicklungen der palästinensischen Führung trotzdem nicht. Der Aufruhr um Trump lenkt die Aufmerksamkeit weg von dem stockenden Versöhnungsprozess zwischen der Fatah und der Hamas. Vor einer Woche hätten die Beamten der Palästinensischen Autonomiebehörde nach zehnjähriger Abwesenheit in die Ämter im Gazastreifen zurückkehren sollen, doch dort versperrten ihnen die Kollegen von der Hamas den Weg. Es geht um Arbeitsplätze und um ein Abspecken des hoffnungslos aufgedunsenen Verwaltungsapparats in Gaza und ums Geld. Die Versöhnung entpuppt sich für die beiden großen palästinensischen Parteien zunehmend als „mission impossible“, als unlösbares Problem. Wie gerufen kommt deshalb der neue Sündenbock Trump, der den Unmut der enttäuschten Palästinenser schlucken soll.

Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kommt die Ablenkung nicht ungelegen, denn ihm droht eine Anzeige wegen Korruption. Eine Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt zu seiner Amtszeit würde sich in seiner Bilanz gut machen, und sie würde außerdem Israel einen Vorsprung vor den Palästinensern verschaffen, sollte es jemals zu neuen Verhandlungen kommen.

Schlimmer noch könnten die Folgen von Trumps Schritt auf diplomatischer Ebene sein. Nicht nur, dass die Türkei die eben erneuerten Beziehungen zu Israel sofort wieder einfrieren würde, sondern auch Saudi-Arabien könnte auf die Bremse treten. Die Regierungen in Riad und Jerusalem näherten sich jüngst an, denn beide Staaten verfolgen gemeinsame Interessen, wenn es darum geht, dem Iran die Stirn zu bieten.

Iran gilt als Israels Staatsfeind Nummer eins, und Saudi-Arabien schlägt dem Iran und seinen Handlangern gegenüber einen zunehmend unfreundlichen Ton an. Vor allem hinsichtlich einer nuklearen Aufrüstung des Iran ziehen Israel, Saudi-Arabien und die USA am gleichen Strang. Ein Bündnis der drei wird auf lange Sicht jedoch nur funktionieren, wenn sich Israel und die Palästinenser einigen.

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