Tanz den Flaschenöffner

TANZ Über ein Tellerfeld getanzt wird in Riki von Falkens Tanzstück „Echo. It’s just a temporary thing“ im Pankower Eden

Zehn mal zwölf Frühstücksteller bilden im vorderen Bereich der Bühne ein rechteckiges Feld. Bei konzentrierter Betrachtung werden sie, wenn später der dünne Schatten des Tänzers Naim Syahrazad darüberhuscht, ein wenig wie Op-Art zu flirren anfangen. Vorne mittig und hinten rechts ist die aufgeräumte Anordnung durch zwei lose Tellerhaufen durchbrochen. Diese sorgsam, aber doch chaotisch angehäuften Teller scheinen auf ihre Zerbrechlichkeit zu verweisen und die Erwartung zu wecken, es könne in der folgenden Stunde einiges in die Brüche gehen.

Bevor die Tänzer in Riki von Falkens neuem Stück „Echo. It’s just a temporary thing“ den Raum betreten, rücken hinterbühnenwandgroße Videoaufnahmen von Oscar Loeser in den Fokus. Auch hier geht es um Geschirr. Offensichtlich befindet sich der Filmer in einem asiatischen Restaurant in Asien. Die Teller auf der Leinwand sind im Gegensatz zum Flohmarktsortiment im Raum in nüchternem Industriedesign gehalten. So auch die Soundscapes. Es rattert wie U-Bahn-Wägen oder wie im getakteten Fließband-Produktionsprozess. Später wird der Klang drohender und nervöser, mal zur Glocke, dann zur Kettensäge. Einzig der Gebetsruf eines Muezzins bringt ein melodisches Element.

Die zierlichen Tänzer, beide in smaragdfarbenen Hosen, lassen sich jedoch nicht von den emotionalen Impulsen der Klangeinspielungen beeinflussen. Riki von Falken und Naim Syahrazad haben sich bei Workshops der Choreografin in Malaysia kennen gelernt. Trotz ihrer verschiedenen Hintergründe – von Falken ist vom US-amerikanischen Postmodern Dance, Syahrazad von klassischen asiatischen Tanz- und Kampftechniken geprägt – haben sie einen homogenen Stil gefunden, der die ökonomische, stark winkelbetonte Körpersprache der Choreografin mit fließenden Elementen und Beckenschwingung abfedert. Weiterhin aber bleibt die Körperachse eine Art gespurtes Bewegungsscharnier, das wie bei einer Tür meist nur einen Pendelrahmen von 180 Grad erlaubt. Wie getanzte Betriebsanleitungen zu einem zwischen Flamingo, Flaschenöffner und Wasserhahn angesiedelten Apparat wirken die übersichtlich phrasierten, seriell wiederholten Tanzsequenzen, bevor sie durch Asynchronisation oder Spiegelachsen auch Spielcharakter zulassen.

Diese Szenen überzeugen in ihrer gebrauchsgrafischen Bewegungssprache genauso wie die verschiedenen Materialtänze, die Naim Syahrazad mit großem Können ausführt. Einmal tanzt er über das zerbrechliche Tellerfeld wie über Eisschollen hinweg, dann entwickelt er eine Art Teller-Diskurswerfen mit dem Fuß, dann wieder lässt er sie wie Kreisel tanzen. Dabei entsteht durch die Konzentration, mit der er gleichzeitig im Davor und Danach des Objekts zu sein scheint, der Eindruck, der Gegenstand sei genauso elastisch wie sein Körper.

Weniger dynamisch ist die Choreografie im Gesamten angelegt. Der Trick, den energetischen Bogen eines Stücks durch aufmerksame, gegenseitige Beobachtung bei den Soli sicherzustellen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Echo“ zwischendurch mehr nach Nummerntanz als einem formal stringentem Stück aussieht. Auch die Videoeinspielungen, die außer Restaurant-Atmos allerlei zu bieten haben, verbleiben im Dekorativen. Zum Schluss stellt der Hintergrundfilm die Tänzer scheinbar auf einen Highway. Aber weder ihre Körper noch das Porzellansortiment kommen zu Schaden. Raum und Inventar sind wider Erwarten stabil und angepasst. Wäre die Welt so elastisch und achtsam wie dieses Tänzer-Duo, wäre sie sicher. ASTRID KAMINSKI

■ Weitere Aufführungen: 26. bis 28. Oktober, 1. bis 3. November