Kolumne Habibitus: Deine Mudda macht Volksverhetzung

Wenn es gegen Kartoffeln geht, verstehen Kartoffeln keinen Spaß. Humor und Satire – das dürfen nämlich nur weiße Deutsche™. Gähn.

Eine Rolle Toilettenpapier an einem Halter

Also sauberer wird's mit Wasser Foto: dpa

Wo hört Meinungsfreiheit auf, wo beginnt Volksverhetzung? Almans würden diese Frage wie folgt beantworten: Jegliche Hetze gegen Geflüchtete, Schwarze Menschen, People of Color, Migrant_innen, Juden_Jüdinnen, Muslim_innen, queere Personen, trans Personen und linke Privatpersonen ist erst mal unverdächtig, schließlich lösen diese Gruppen Unbehagen im völkisch-deutschen Magen aus und was hilft besser gegen diese Angst, als sie mit ein paar unfassbar witzigen und überhaupt nicht ernst gemeinten Sprüchen wegzulachen? Humor ist die beste Medizin. Und Satire darf alles – außer Witze auf Kosten von Almans.

Kommen besagte Sprüche von nicht-weißen Deutschen oder Ausländern™, handelt es sich um eine Verletzung des Gastrechts. Denn wer nicht über mindestens 17 Generationen lang in Deutschland lebt, ist streng genommen Gast und lebt auf dem Nacken weißer Deutscher. Etwa jener, die wir jährlich mit dem Solidaritätszuschlag steuerlich beglücken. (Was ist das auch für eine Regelung? Ich würde lieber das Geld direkt in Hartz-IV-beziehende Freund_innen meines Vertrauens investieren, als wo­möglich Neonazis mein Para zukommen zu lassen, damit sie am Ende damit irgendwelche Waffen aus Ungarn bestellen, um Leute anzugreifen, die ihnen nicht deutsch™ genug aussehen.)

Zuletzt erhielt die linke Zeitschrift Konkret eine Klage von der Hamburger Staatsanwaltschaft. Auf dem Titel ihrer Ausgabe 11/17 steht „Nazis im Bundestag. Kauft nicht bei Deutschen!“, und angeblich sei dies Volksverhetzung. Es ist nicht so lange her, als juristisch festgelegt wurde, dass „die Deutschen“ als Gruppe nicht greifbar sind und Diffamierungen ihnen gegenüber nicht Volksverhetzung seien.

Auch mir wurde schon mehrmals dieses Vergehen vorgeworfen. Ungefähr jedes Mal, wenn ich Almans als Kartoffeln bezeichne, heißt es, ich sei total rassistisch. Einmal sprach ich auch von „deutscher Dreckskultur“, und die Leser_innenbriefe regneten nur so auf mich ein. Sorry, Leute, aber es ist nicht meine Schuld, dass Deutschland keinen besonders sauberen Ruf hat. Ihr entscheidet euch selbst dafür, zuhause mit Straßenschuhen rumzulaufen. Oder nur zwei Minuten lang zu duschen und euch dabei kurz mit der Hand abzureiben. Oder das Klo zu verlassen, obwohl ihr euch noch nicht fertig gewaschen habt. Oder so eklige Speisen wie Schweinefleisch in Aspik zu essen.

Dies zu benennen mag verletzend sein, aber es ist eine Realitätsschelle, ein kleiner Klaps ins Gesicht, der an das Hier und Jetzt erinnert. Aber es ist keine Volksverhetzung. Bitte merkt euch das, 2018 werde ich nämlich keine Zeit dafür haben, eure Kartoffeltränen von meinem Fenster zu schrubben. Wenn ihr etwas Sinnvolles damit machen wollt, braut doch daraus Schnaps. Den trinkt ihr doch so gern. Zum Beispiel jetzt über Weihnachten. Oder an Silvester. In dem Sinne: Guten Rutsch, don’t trip on your own bullshit!

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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