Das war die Woche in Berlin I: Heiligabend mit Knalleffekt

Ein Mann, der als syrischer Flüchtling nach Deutschland kam, rast mit dem Auto in die SPD-Parteizentrale. Das macht es nicht gleich zum islamistischen Terroranschlag.

Polizisten stehen am 25.12.2017 in der SPD-Zentrale in Berlin vor einem demolierten Auto. Ein Auto ist an Heiligabend in die Parteizentrale in Berlin gekracht. Das sagte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur am frühen Morgen. Die Hintergründ

Mit dem Peugeot am 24. Dezember 2017 ins Willy-Brandt-Haus Foto: dpa

Ein Mann, der im Sommer vor zweieinhalb Jahren als syrischer Flüchtling nach Deutschland kam, fährt am Heiligabend vor die CDU-Bundeszentrale und stellt eine Tasche mit brennbaren Materialien ab. Danach geht’s im Auto weiter zum Willy-Brandt-Haus der SPD. Mit dem Fahrzeug, in dem sich Gaskartuschen und drei Benzinkanister befinden, durchbricht er die Eingangsfront. Als das Auto zum Stehen kommt, fängt es Feuer. Nur die Sprinkleranlage des Hauses verhindert Schlimmeres. Der Mann wird festgenommen.

Am nächsten Tag titeln die Zeitungen einhellig: Ein Terroranschlag! Ein Attentat auf unsere Demokratie! Eine Attacke auf das christliche Weihnachtsfest. Politiker von Grünen bis Union fordern schärfere Gesetze, die AfD und der Mob schäumen sowieso. Und alle sind sich einig: Dieser Anschlag war, vielleicht religiös, ganz sicher aber politisch motiviert. Getrieben vom Hass auf die Parteien und den liberalen Rechtsstaat.

Schnitt. Gleicher Vorfall, deutscher Täter – und eben tatsächlich geschehen. Eine „Raserfahrt“ ins SPD-Haus. „Möglicherweise gibt es ein persönliches politisches Motiv.“ Der Ton der Berichterstattung, selbst in den Boulevardmedien, übt sich in gelangweilter Zurückhaltung.

Drei Tage danach lässt die Staatsanwaltschaft verlauten, der Mann hätte „kein konkretes politisches Motiv gehabt“, sondern soll in Selbstmordabsicht gehandelt haben. Selbstmordabsicht! Weil sich die SPD damit auskennt? Weil brennbare Materialien vor der CDU das Suizid-Karma verbessern!?

Es ist wie immer: Damit wir uns bedroht fühlen, muss der Täter schon einen nichtdeutschen Pass haben oder, am besten, Muslim sein. So sehen es die Sicherheitsbehörden, so auch die Mehrheit der Öffentlichkeit. Ganz so, als gäbe es nicht genügend Beweise, wie der vor allem in der radikalen Rechten grassierende Hass auf Demokratie und Parteien zu Terror führen kann. Wie jüngst der Messerangriff auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein.

Soll das heißen, dass der Mann, der da in die SPD-Zen­tra­le raste, ein Rechtsextremer war? Nicht zwangsläufig. Aber möglich wäre es. Wie am Donnerstag bekannt wurde, war er wohl von der Wut auf staatliche Behörden getrieben, die aufgrund seiner Weigerung, an einer Volkszählung teilzunehmen, ein Zwangsgeld gegen ihn verhängt hatten. Die Taten waren mehr als ein Suizidversuch. Bei einer anderen Herkunft des Täters wäre das auch schon früher aufgefallen. Erik Peter

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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