DAUMENKINO
: Wie durch Gelatine

Mit der Ironie ist es so eine Sache. Übertreibt man es, verdünnisiert sie sich, und zurück bleiben entgleiste Augenbrauen. Bereits Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“, in dem die beiden schrägen Hochbegabten Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt aufeinandertrafen, war eine gespreizte Angelegenheit. Bald sind eineinhalb Millionen verkauft – für die Verfilmung hat sich Kehlmann bereitwillig zur Verfügung gestellt.

Und er hat ein Drehbuch auf Grundlage des eigenen Romans geschrieben, das Detlev Buck verfilmte. Zwei Kinder mit Down-Syndrom, die beim Herzog von Braunschweig am Tisch sitzen, machen gleich klar, dass die genetischen Grundlagen für wissenschaftliche Exzellenz um 1800 schlechter waren als heute. Hingegen scheint es ein zeitloses Klischee zu sein, dass große Geister irgendwie auch Sonderlinge sind. Florian David Fitz, der den Gauß spielt, legt sich da deutlich mehr ins Zeug als sein Kollege Albrecht Abraham Schuch in der Rolle des Humboldt. Beide sind allerdings von einer Ratlosigkeit dahingehend geprägt, ob sie ihre Figuren als Karikatur oder doch lieber nur als leicht derangierte, aber menschelnde Wesen anlegen sollen. Buck nimmt ihnen die Entscheidung insofern ab, als er selbst alles in seiner Version von „Die Vermessung der Welt“ auf eine Perspektive des Grotesken hin ordnet (nur die baren Busen der indigenen Versuchungen im Urwald sind wohlgeformt). Die Unanschaulichkeit der Errungenschaften von Gauß steht zu den peregrinatorischen Leistungen von Humboldt in einem nicht gedeihlichen Verhältnis. Zumal Detlev Buck beide über den gleichen ästhetischen Leisten bricht, wodurch sich eine ermüdende Parallelmontage zwischen Göttingen und dem Orinoco ergibt, die das Gegenteil von dem bewirkt, was im Roman als Absicht noch erkennbar war: wechselseitige Erhellung.

Buck huldigt einem erzählerischen Obskurantismus. Worum es geht, bleibt unklar, weil es sich eh von selbst versteht: um das Alleraußergewöhnlichste, allerdings vor dem Hintergrund des Miefs, aus dem die deutsche Klassik erwuchs (Zöpfe, Zahnruinen, degenerierte Herrscher). Die Zahnreihen des Herzogs lassen für einen Moment ahnen, warum dieser Film in 3-D sein sollte. Überwiegend aber sieht „Die Vermessung der Welt“ aus, als hätte man die einst irgendwie offene, unvermessene Welt durch rinderwahnsinnige Gelatine hindurch gefilmt. Wer das für Ironie hält, dem sollten eigentlich die Augenbrauen festfrieren. BERT REBHANDL

■ „Die Vermessung der Welt“. Regie: Detlev Buck. D 2012, 90 Min.