Proteste im Osten von Nigeria: Gegen mordende Viehhirten

In einer ländlichen Region Nigerias legen Demonstranten eine Provinzhauptstadt lahm. Grund ist ein Konflikt, der jährlich bis zu 2.500 Leben kostet.

Dürre Kühe stehen auf einer Weide

In Städten spricht kaum jemand darüber, der Konflikt mit den Farmern spielt sich auf dem Land ab Foto: imago/epd

COTONOU taz | Das sind ungewohnte Bilder in Nigeria: Protest mit eilig aus Holzbänken und Tischen zusammengezimmerten Straßensperren, selbstgemalten Plakaten und Steinen in der Hand. Tausende Jugendliche haben am Mittwoch auf diese Weise Makurdi lahmgelegt, die eine halbe Million Einwohner zählende Hauptstadt des Bundesstaates Benue im Osten Nigerias. Sie haben Hauptverkehrsstraßen blockiert und vor allem eines geschafft: Nigerias Regierung muss sich mit dem Farmer-Viehhirten-Konflikt auseinandersetzen, der diesen Landesteil seit Langem heimsucht.

17 Menschen waren in Benue von Silvester bis zum 2. Januar getötet worden – sesshafte Farmer, die von Viehhirten umgebracht worden sein sollen. Der Konflikt schwelt schon seit langer Zeit und fordert jährlich zwischen 2.000 und 2.500 Menschenleben. Durch ihn sterben aktuell mehr Personen als durch die islamistische Terrormiliz Boko Haram sowie die Konflikte im ölreichen Niger-Flussdelta. 2016 wurden weitere 62.000 Personen in dem Konflikt obdachlos. Jedes Jahr werden Güter in zweistelliger Euro-Millio­nenhöhe zerstört. Betroffen sind hauptsächlich die Bundesstaaten Kaduna, Plateau, Nasarawa, Taraba und Benue.

Nur spricht kaum jemand in Nigeria darüber, schon gar nicht in den Städten, was die Proteste umso überraschender macht. Denn der Konflikt spielt sich auf dem Land ab. Die 17 neuen Tötungen ereigneten sich in den Landkreisen Guma und Logo. Vor allem die Anfahrt nach Logo dauert Stunden, da man zum Schluss mit einer wackeligen Holzfähre über einen Fluss übersetzen muss. Es fehlt in Nigerias entlegenen ländlichen Gebieten an Infrastruktur, vor allem aber an Sicherheit. Polizeistellen sind häufig viel zu weit entfernt.

Zu den Demonstranten in Makurdi gehört auch Ben Titus Ternat. Mehreren Zeitungsberichten zufolge kündigte er an, man wolle sieben Tage lang protestieren, da Nigerias Regierung bisher nichts unternommen habe. Das zeigt auch, wie verärgert die jungen Menschen generell über die Regierung sind. Der 180-Millionen-Einwohner-Staat Nigeria befindet sich seit Jahren in der Krise. Die Wirtschaft stagniert wegen des Verfalls der Ölpreise, die Benzinpreise auf dem Schwarzmarkt haben sich mancherorts vervierfacht, die Inflation liegt laut Zentralbank bei 15,9 Prozent und die Einkommen sinken. Viele Jugendliche können sich nur als Tagelöhner und billige Hilfskräfte auf Farmen durchschlagen.

„Boshaft und gefühllos“ seien die Übergriffe

Jetzt ist es ihnen allerdings gelungen, in Makurdi so viel Druck zu machen, dass sich Präsident Muhammadu Buhari umgehend zu Wort gemeldet hat „Boshaft und gefühllos“ seien die Übergriffe gewesen, sagte der 75-jährige Staatschef. „Wir müssen alles tun, um die Sicherheit für unsere Bevölkerung in ländlichen Kommunen zu gewährleisten.“

Ein besserer Schutz sowie die Strafverfolgung mutmaßlicher Täter ist jedoch nur ein Lösungsansatz. In erster Linie handelt es sich um einen Landkonflikt. Ehemalige Weiderouten der Viehhirten, die zu 90 Prozent der ethnischen Gruppe der Fulani angehören, sind über die vergangenen Jahrzehnte zugebaut worden. Farmer beklagen allerorts, dass Rinder, Schafe und Ziegen ihre Felder leer fressen.

Dazu kommt, dass wandernde Viehhirten aus dem Norden immer weiter in Richtung Süden drängen. Grund dafür ist die vermehrte Wüstenbildung weiter nördlich sowie die Unsicherheit durch Boko Haram. Damit erklären Viehhirten auch, dass sie heute oft bewaffnet sind. Nur so können sie ihre Tiere und sich selbst noch schützen.

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