Verhandlungen über Schulfrieden: Verlängerung anvisiert

Die CDU bietet der SPD und den Grünen eine Verlängerung des Vertrags über das Zwei-Säulen-Modell aus Stadtteilschulen und Gymnasien an.

Eine Frau hält im Jahr 2009 eine Liste mit Unterschriften in den Händen. Die Unterschriften stammen von Gegnern der damaligen Schulreform.

Wollen Politiker nicht mehr erleben: Eine Unterschriftensammlung gegen ihre Schulreform Foto: dpa

HAMBURG taz | Es ist noch zwei Jahre hin bis zur nächsten Bürgerschaftswahl. Doch CDU-Fraktionschef André Trepoll nutzte die Weihnachtspause, um im Hamburger Abendblatt eine Verlängerung des sogenannten Schulfriedens anzuregen. Er sei bereit, mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) darüber zu verhandeln. Die Reaktion kam prompt. SPD und Grüne sind dazu bereit.

Im Jahr 2010 schlossen CDU, SPD und Grüne einen Vertrag, für zehn Jahre nicht an der Schulstruktur zu rütteln. Das habe der Schulentwicklung „gut getan“, erklärten SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und sein grüner Kollege Anjes Tjarks. „Wir arbeiten seitdem konsequent daran, ohne Strukturdebatten die beiden Hamburger Wege zum Abitur noch besser zu machen“.

Bildungsstudien belegten, dass Hamburg sich in wichtigen Punkten verbessert habe. „Diesen breit getragenen Weg eines Zwei-Säulen-Modells aus Stadtteilschule und Gymnasium wollen wir gerne weitergehen“, so Dressel und Tjarks. Sie freuten sich, wenn die CDU sich nach manch widersprüchlichen schulpolitischen Signalen auch für die „Fortführung des Schulfriedens“ ausspreche.

Der besagte Pakt wurde im Februar 2010 zwischen Grünen, SPD und CDU geschlossen. Man einigte sich mit Brief und Siegel darauf, die Schulstruktur aus den zwei Säulen Gymnasium und Stadtteilschule für zehn Jahre zu garantieren, „unabhängig davon, wer die Regierung stellt“. Jede Stadtteilschule sollte eine Oberstufe haben, am Gymnasium sollte dann das Abi­tur in acht Jahren (G8), an der Stadtteilschule in neun Jahren (G9) möglich sein.

CDU, SPD, Grüne und Linke unterschrieben am 23. Februar 2010 eine Vereinbarung für die Einführung der Primarschule, die Beibehaltung des Elternwahlrechts, die Abschaffung des Büchergeldes und kleine Klassen à 23 Kinder in der Grundschule.

Jede Stadtteilschule sollte eine Oberstufe oder zumindest eine elfte Klasse erhalten. Das sollte gewährleisten, dass sie nicht Schule zweiter Klasse wird.

CDU, SPD und Grüne unterzeichneten einen Extra-Vertrag, um den Streit über die Schul-struktur zu beenden. Dieser sollte zehn Jahre lang gelten.

Nach dem verlorenen Volksentscheid hieß das: vier Jahre Grundschule, danach Stadtteilschule oder Gymnasium.

Die damals eigentlich brisante Frage, wie lange die Grundschule dauert, ob vier oder sechs Jahre, sollte von dem kurz bevorstehenden Volksentscheid abhängen und dessen Ergebnis für zehn Jahre gelten.

Der Vertrag wurde in einer historisch besonderen Lage geschlossen. Die schwarz-grüne Koalition war in Bedrängnis und holte die SPD ins Boot, um im Bündnis für das längere gemeinsame Lernen der Kinder in der Primarschule zu streiten. Letzteres ging schief. Die Primarschule wurde per Volksentscheid abgelehnt. Es blieb trotzdem der Friedensvertrag.

Heute ist die Situation umgekehrt, die CDU ist in der Opposition, SPD und Grüne koalieren. Und die Grünen haben inzwischen die Idee, noch einmal die Schulstruktur von oben zu ändern, aufgegeben. „Wir Grüne streben auch nach dem Auslaufen des Schulfriedens 2020 keine von oben und für alle Schulen verbindliche Strukturreform an“, heißt es in einem Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung vom 23. März 2017. Denn längeres gemeinsames Lernen könne nicht „top down“ von oben verordnet werden. Die Verlängerung des Paktes könnte wohl recht problemlos über die Bühne gehen.

Trotzdem ist der Zeitpunkt interessant. Das Nachbarland Schleswig-Holstein hat gerade erst vorgeführt, wie mit dem Turbo-Abitur ein Schulthema Wahlkampf-Hit werden kann. Der dortige CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther gewann auch mit seinem klaren Bekenntnis zu „mehr Lernzeit“ durch die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium Wähler.

Die frühere Hamburger CDU-Politikerin Karin Prien setzt dies nun in Kiel als Ministerin um. In Hamburg war die CDU stets dagegen. Denn hier gibt es flächendeckend Stadtteilschulen mit Oberstufen. Eine Rückkehr zum G9 am Gymnasium würde dort zu noch mehr Anmeldungen führen und die Stadtteilschule schwächen, weil ihr das Alleinstellungmerkmal des längeren Wegs zum Abitur genommen würde.

Trotzdem bekam der Landesfachausschuss Schule der Hamburger CDU im Sommer den „Prüfauftrag“, sich das „Umfeld G8/G9 anzuschauen und bis zum Jahresende eine Empfehlung auszusprechen“, wie Landeschef Roland Heintze damals dem Hamburger Abendblatt sagte. Auch Trepoll sah bei der Lerndauer „erheblichen Diskussionsbedarf“.

Rückkehr zu G9 im Wahlkampf?

An dieser Empfehlung werde noch gearbeitet, heißt es aus der CDU-Landeszentrale. Sie dürfte mit Spannung erwartet werden. Es wäre möglich, dass auch Hamburgs CDU dem Modell Günthers folgt und im Wahlkampf auf eine Rückkehr zu G9 setzt.

André Trepoll gibt sich gegenüber der taz zurückhaltend. Die CDU mache keine Vorfestlegungen, sondern warte jetzt „auf ein konkretes Verhandlungsangebot von Rot-Grün“. Man wolle mit Rot-Grün in „ergebnisoffene Verhandlungen“ über die zukünftige Schulstruktur treten. Gleichwohl räumt Trepoll ein: „Für uns steht die Frage eines längeren Lernens bis zum Abitur dabei auch im Raum.“

Für die FPD dagegen stellt sich die Frage der Rückkehr zu G9 „unter den aktuellen Bedingungen noch nicht“, wie deren Schulpolitikerin Anna von Treuenfels-Frowein erklärt.

FDP unglücklich mit Schulfrieden

Doch sie hat anderen Gesprächsbedarf. „Ein Schulfrieden bedeutet, dass es zunächst keine großen Änderungen an den bestehenden Strukturen gibt. Das bestehende Modell aus G8 am Gymnasium und G9 an Stadtteilschulen kann aber nur funktionieren, wenn beide Schulformen in ihrem jeweiligen Profil gestärkt werden“, findet die FDP-Politikerin. Langfristig dürfe ein politischer Schulfrieden „kein Selbstzweck sein, um Rot-Grün und der CDU die Beschäftigung mit den massiv wachsenden Problemen an der Schulbasis zu ersparen“.

Die Linke lehnt den Schulfrieden sogar strikt ab. „Wir unterstützen das nicht und wir begrüßen das nicht“, sagt deren Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus zum Vorstoß der CDU. „Es geht denen nur darum, die Strukturfrage nicht zu diskutieren.“ Ihre Partei ist für eine Schule für alle und sieht im Zwei-Säulen-Modell eine Verschärfung der sozialen Spaltung. Man werde, so Boeddinghaus, die Nachteile der jetzigen Struktur für Kinder und Unterricht „auch im Wahlkampf zum Thema machen“.

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