„Opa, was willst du hier?“

„Kennen Sie Eulenspiegel?, fragt der arbeitslose 50-jährige Busfahrer K. „So geht es mir.“ Die Arbeitsagentur sperrt ihm das Geld wegen „fehlender Mitwirkung“ – und zahlt zugleich das Ticket zum selbst organisierten Vorstellungsgespräch

Bremen taz ■ „Ich bewerbe mich und mache. Und jetzt sperren die mein Geld.“ Burkhard K. versteht die Welt nicht mehr, seit die Arbeitsagentur ihn verstärkt „aktiviert“. Jetzt hat er nicht mal mehr das Geld fürs Briefporto. Auf dem Tisch vor Burkhard K. liegt ein Berg von Bewerbungsschreiben und Stellenausschreibungen. „Wo ich 50 Prozent Chance habe, bewerbe ich mich. Ich WILL ja arbeiten“, sagt der 50-Jährige, der vor 35 Jahren als gelernter Maurer ins Ost-Leben startete, dann früh in den Westen ging, und dennoch bis auf kleine Unterbrecher eine stabile Arbeitsbiografie hat. Bis 2004. Da lief das EU-geförderte Busprojekt im Umland aus. Bis zum Busfahrer hatte K. es inzwischen gebracht.

„Führerscheine aller Klassen“ steht in seinem Lebenslauf. Und eine Serie von Computerkursen: Grundlagen PC, Windows 2000, Internet, Excel 2000, Powerpoint 2000, Word. „Man will ja nicht stehen bleiben“, erklärt K. und wie er Urlaubstage zusammengekratzt und mit dem Arbeitgeber verhandelt hat, damit er den Anschluss an die neue Technik nicht verpasst. „Aus dem Internet hole ich mir heute die Stellenangebote raus“, berichtet K. Er klingt zufrieden. Dabei müsste er in der Vergangenheitsform sprechen. Er holte raus.

Denn weil K. schon die zweite Sperrfrist in diesem Jahr erlebt, ist sein Strom abgeschaltet – und mit ihm Computer und Waschmaschine. Mit 750 Euro Arbeitslosengeld im Monat kann niemand Rücklagen bilden. K. isst seither von der Nordbremer Tafel. Wegen Mittellosigkeit bekam er von der Bagis vor wenigen Tagen 200 Euro Nothilfe. „Ich war nicht gegen Hartz“, sagt K., wenn man ihn fragt. „Mensch, ich habe ja viele gesehen, die bequem gelebt haben, während ich geschuftet habe.“ Aber was ihm jetzt passiert, das findet er auch nicht gerecht. „175.000 Mark habe ich als hoch besteuerter Junggeselle einbezahlt. Und wenn man den Staat dann mal braucht, kriegt man nix.“

Warum? Weil er die „fünf plus fünf“-Vorgabe der Agentur für Arbeit nicht erfüllte. Bis zu einem vorgegebenen Datum sollte er sich bei fünf regulären Arbeitgebern und bei fünf Zeitarbeitsfirmen bewerben. „Aber die Leute von der Zeitarbeit gucken mich an und sagen, Opa, was willst Du hier? Oder sie geben mir keine Bescheinigung.“ Wie auch immer. Der Mann mit 50 Lenzen auf dem Buckel und dem Willen, dennoch einen Job zu finden – er tut dafür nur, was er für aussichtsreich hält. Das ist vielleicht ein Lebensprinzip. Vielleicht geht es auch um Würde.

Aber so redet K. nicht. Er sagt: „Leute, wollt ihr mich zum Verbrecher stempeln?“ Der Beweis, wie ernst K. es mit der Arbeitssuche meint, kam erst letzte Woche wieder auf den Tisch: Das Vorstellungsgespräch bei einem Lübecker Busunternehmen. Trotz der Sperrfrist wegen fehlender Mitwirkung zahlte die Agentur ihm die Fahrkarte dorthin – zu einem Gespräch, das er bekommen hatte, obwohl ihn die Agentur zum Drückeberger stempelt. So sieht K. das. „Die versteht mich nicht“, sagt K. über seine Sachbearbeiterin bei der Agentur. Sogar ganz nett sei die, aber man könne nicht miteinander reden. Die Liste der Missverständnisse nennt er lang. Zuletzt wurde er als „aggressiv“ eingestuft. Dann kam ein Brief vom Psychiatrischen Behandlungszentrum Nord. „Wir sind über die Arbeitsagentur informiert worden, dass Sie zurzeit in einer schwierigen Lebenslage sind.“

Da wäre neben der Jobsuche noch das Problem mit der Brille beispielsweise. Als Busfahrer braucht er die Gläser. 180 Euro sollen sie bei Fielmann kosten. Ohne die geht es nicht. Sein Versuch, bei der ärztlichen Untersuchung nach dem Vorstellungsgespräch mit einer Billigbrille durchzukommen, flog auf. Jetzt wüsste K. gerne, wer für solche Fragen zuständig ist. Er wird das Gefühl nicht los, dass die Agentur für Arbeit nicht der richtige Ansprechpartner ist. Eva Rhode