Opposition im Nordkaukasus: Memorial geht es an den Kragen

Das Büro der Menschenrechtler in Inguschetien wird durch Brandstiftung verwüstet. In Tschetschenien sitzt ein Vertreter der Organisation in U-Haft.

Das Büro von Memorial in Nazran nach dem Anschlag

Das Büro von Memorial in Nazran nach dem Anschlag Foto: ap

MOSKAU taz | Die Täter kamen spät in der Nacht zum Mittwoch. Ihr Ziel: das Büro der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial in der Nordkaukasusrepublik Inguschetien. Eine Videokamera hielt fest, wie zwei Maskierte mit einem Auto vorfuhren und über eine Leiter in den zweiten Stock des Hauses kletterten.

Die beiden Männer legten in drei Räumen Feuer. Ein Raum mit Unterlagen und Bürotechnik wurde völlig verwüstet. Da die Feuerwehr innerhalb kurzer Zeit eintraf, konnte Schlimmeres verhindert werden.

Inguschetien ist die Nachbarrepublik Tsche­tscheniens. Mitarbeiter Memorials brachten den Anschlag denn auch mit dem Nachbarn in Verbindung. Memorial ist in Tschetschenien häufigen Angriffen des Moskauer Statthalters in Grosny, Ramsan Kadyrow, ausgesetzt. „Das war Brandstiftung“, sagte der Moskauer Memorial-Mitarbeiter Oleg Orlow.

Erst in der vergangenen Woche war Ojub Titijew, Leiter des tschetschenischen Büros in Grosny, festgenommen worden. Titijew sitzt seither wegen Drogenbesitzes in U-Haft. Der Menschenrechtler war von Ordnungskräften angehalten worden, die in seinem Wagen 180 Gramm Marihuana gefunden haben wollen.

Gras untergeschoben

Titijew behauptet, das Gras sei ihm untergeschoben worden. Dies ist gängige Praxis, um unbequeme Leute aus dem Verkehr zu ziehen, und nicht nur auf Tschetschenien beschränkt.

In einem Schreiben, das die unabhängige Zeitung Nowaja Gaseta veröffentlichte, wandte sich Titijew diese Woche an Präsident Wladimir Putin, den Chef des Föderalen Untersuchungskomitees, Alexander Bastrykin, und Geheimdienstchef Alexander Bortnikow. Sein Fall sei fabriziert, schrieb Titijew. „Falls ich Schuld eingestehen sollte, ist dies mittels physischen Zwangs oder Erpressung erfolgt.“

Die tschetschenische Polizei drang auch in Titijews Haus in Kurtschaloi ein. Sie suchten die beiden erwachsenen Söhne, die auch als Bürgerrechtler aktiv sind. Die Ordnungskräfte trafen sie nicht an. Wutentbrannt zwangen sie Familienangehörige, das Haus zu verlassen, berichtete Memorial. Schlüssel wurden konfisziert und das Haus verschlossen.

Die Familie werde „Probleme“ bekommen, wenn sich die Söhne nicht meldeten, soll die Polizei gedroht haben. „Titijews Festnahme ist der endgültige Versuch, Memorial aus Tschetschenien zu vertreiben“, meint die Moskauer Leiterin von Human Rights Watch, Tanja Lokschina.

Memorial hätte über kollektive Strafmaßnahmen, Entführungen und Folter berichtet. 2018 sorgte Grosny wegen des brutalen Vorgehens gegen Schwule international für Schlagzeilen.

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