VW setzt auf Elektromobilität: Sachsen fährt elektrisch

Der Autobauer will seine neue Strategie zur E-Mobilität umsetzen. Den Städten Zwickau und Dresden kommt dabei eine besondere Rolle zu.

Montage in der Gläsernen VW-Maufaktur in Dresden

Hier wird der E-Golf montiert: die Gläserne VW-Manufaktur in Dresden Foto: dpa

DRESDEN taz | Sachsen fährt in Zukunft elektrisch, zumindest was die Produktion bei Volkswagen angeht. Ende des Jahres beschlossen, wird die neue VW-Strategie nun umgesetzt: In der „Gläsernen Manufaktur“, einst für den Luxuswagen Phaeton gebaut, wird ab März 2018 zweischichtig gearbeitet. Die Nachfrage nach dem hier montierten E-Golf ist sowohl bei privaten als auch bei gewerblichen Kunden größer als die 35 Fahrzeuge, die derzeit täglich die noble Schaumontagehalle verlassen.

„Wir könnten noch mehr bauen – so groß ist die Nachfrage“, freut sich Pressesprecher Carsten Krebs. Also liegt der Konzern richtig, wenn er in den kommenden fünf Jahren 34 Milliarden Euro in Elektromobilität, autonomes Fahren und Digitalisierung investieren will?

VW will dabei nicht nur kleckern, sondern gleich klotzen. Mit der „Roadmap E“ will man bis 2025 „zur weltweiten Nummer eins in der Elektromobilität“ avancieren, setzte VW-Chef Matthias Müller bei der Vorstellung des Programms ein großes Ziel. Sachsen soll dabei eine besondere Rolle spielen, weil die Produktion von Elektroautos ganz auf die beiden Standorte Zwickau und Dresden konzentriert wird.

In Zwickau setzte VW mit den Modellen Golf und Passat nach 1990 die Tradition fort, die August Horch einst begründete und die zu DDR-Zeiten den kurios-legendären „Trabant“ hervorbrachte. Ab Mitte 2018 wird hier für eine Milliarde Euro komplett umgerüstet.

In einem Interview mit Autoland Sachsen äußerte sich Siegfried Fiebig, Sprecher der Geschäftsführung von VW Sachsen GmbH, zu Einzelheiten. Zwickau wird demnach der erste Standort, der auf der Basis des Modularen Elektroantriebs-Baukastens produzieren wird. Schrittweise wird der Golf mit Verbrennungsmotor bis 2021 dem reinen Elektroantrieb weichen.

Die VW-Konzernstrategie wird unterschiedlich bewertet

Umstellen müssen sich nicht nur die Zulieferer. Auch die 7.700 Mitarbeiter müssen sich auf einen Umschulungs- und Qualifizierungsschub einstellen. Neben dem Volkswagen-Bildungsinstitut und der inzwischen mit dem E-Golf erfahrenen Dresdner Manufaktur ist daran auch die TU Chemnitz beteiligt.

Wird damit tatsächlich das Auto gerade neu erfunden, wie Konzernchef Müller meinte? Dass Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) von einer „sensationellen Meldung“ spricht, überrascht nicht. Aber die VW-Konzernstrategie wird unterschiedlich bewertet. Auch wenn es niemand bei VW offiziell bestätigt, tritt der Konzern mit der forcierten E-Mobilität die Flucht nach vorn aus dem Dieselskandal an. So hört man es von Mitarbeitern und von Wissenschaftlern.

Der überraschende Vorstoß von Konzernchef Müller, die Mineralölsteuerermäßigung für Diesel abzuschaffen, bietet ein weiteres Indiz. Wer seinen Diesel ab Euronorm 4 oder älter verschrottet und ein E-Auto erwirbt, bekommt schon jetzt von VW eine Prämie von 2.380 Euro, die sich inklusive Umweltbonus und staatlicher Förderung auf über 11.000 Euro erhöhen kann.

Nur 35 Kilometer von Zwickau entfernt lehrt Thomas von Unwerth an Universität Chemnitz. Pikanterweise war er in der VW-Forschung beschäftigt, bevor er vor sieben Jahren auf den Lehrstuhl für Alternative Antriebe berufen wurde. Der alternative Antrieb der Zukunft im motorisierten Individualverkehr ist für von Unwerth die Brennstoffzelle. Schon ein Blick auf die Modelle in seinem Büro lässt diese Präferenz klar erkennen, auch wenn er selber ein VW-Hybrid­auto fährt. Der Professor holt weit aus, bevor er sich zu seinem früheren Arbeitgeber äußert. Es sind die wohlwollend-skeptischen Argumente, die man hinsichtlich der Perspektiven von Elektroantrieben immer wieder hört.

Es gibt immer noch das Reichweitenproblem

Jetzt fahren auf unserem Planeten schon 1,2 Milliarden Fahrzeuge, eine Zahl, die sich bei weltweiter Angleichung an europäisches Mobilitätsverhalten noch verdoppeln könnte. Dass all diese Autos einmal rein batteriegetrieben fahren könnten, mag sich von Unwerth ebenso wenig vorstellen wie den Supermarkt-Parkplatz mit lauter Ladesäulen, der allein schon ein eigenes Kraftwerk benötigen würde.

Neben der Infrastruktur sieht er das Reichweitenproblem, das mit der begrenzten Energiedichte gebräuchlicher Akkumulatoren, deren Alterung insbesondere bei Schnellladung sowie dem Rohstoffbedarf etwa an seltenen Erden für eine massenhafte Akkuproduktion zusammenhängt.

Dennoch begrüßt der Forscher die VW-Initiative als „Schritt in die richtige Richtung“. Allein schon deshalb , weil auch in einem Brennstoffzellenauto die Energie des bordeigenen „Kraftwerks“ elektrisch auf die Antriebe übertragen wird. „Man verbaut sich weitere Optionen nicht“, sagt von Unwerth. Aber er beharrt auf dem Charakter des reinen Elektroautos als Kurzstrecken- und Ergänzungsfahrzeug.

„Erst die Brennstoffzelle wird das Elektroauto zu einem vollwertigen Antrieb ergänzen!“ Die massenhafte Wasserstoffproduktion ist zwar auch noch eine ungelöste Frage, aber in den Leuna-Werken beispielsweise falle dieser Energieträger in Großmengen als Nebenprodukt an, meint von Unwerth.

In Dresden zeigt sich Manufaktur-Pressesprecher Krebs weitaus optimistischer. Die Akkutechnik sei noch keinesfalls ausgereizt, und die VW-Batteriestrategie strebe Reichweiten von 400 bis 600 Kilometer an. Autos der künftigen „I-D.“-Reihe würden außerdem optimal „um die Batterie herumgebaut“, die ja bislang in ein fertiges Modell implementiert wurde. So ein Auto soll dann auch nur noch auf dem Preisniveau eines einfachen Golf mit Dieselmotor liegen.

Volkswagen spiele auch nicht va banque und setze alles auf E-Mobilität. Etwa ein Viertel Anteil soll dieser Sektor um 2025 erreichen, die Verbrennungsmotoren würden gleichfalls weiterentwickelt.

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