Streit um Kopftuch in Schulen: Es geht noch neutraler

Berliner Berufsschulen fordern das Neutralitätsgesetz im vollen Umfang auch für ihren Schulzweig. Bisher ist das Kopftuch bei Lehrerinnen dort erlaubt.

Streitfall: Das Kopftuch in der Schule. Hier allerdings getragen von einer Schülerin Foto: Uwe Anspach/dpa

Während bei Rot-Rot-Grün über eine Abschwächung des Berliner Neutralitätsgesetzes von 2005 gestritten wird, kommt aus den Berliner Berufsschulen die Forderung, dass das Gesetz auch für ihren Schulzweig im vollen Umfang gelten soll. Im Zentrum steht das Verbot für Lehrkräfte öffentlicher Schulen, sichtbare religiöse Symbole zu tragen, wozu auch das islamische Kopftuch gehört. Die Berufsschulen sind davon ausgenommen.

Wie die Berliner Zeitung am Wochenende berichtete, kritisiert die Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen in Berlin die Annahme, die SchülerInnen an Berufsschulen seien im Gegensatz zu denen an Grund-, Sekundarschulen und Gymnasien weniger empfänglich für weltanschauliche Beeinflussung. „Viele Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen sind minderjährig und in einer Phase jugendlicher Sinnsuche“, heißt es in einer Resolution vom vergangenen Freitag. Gegenüber OberstufenschülerInnen gäbe es kaum Altersunterschiede.

Grüne und Linke haben sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, das Verbot des Zeigens religiöser Symbole aus dem Gesetz zu streichen – jedenfalls in Bezug auf Lehrkräfte. Auch RichterInnen oder PolizistInnen dürfen im Dienst keine Kreuze, Davidsterne, Kopftücher oder Ähnliches zur Schau stellen. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) haben sich öffentlich entsprechend geäußert. In der SPD überwiegt die Position, am Neutralitätsgesetz festzuhalten.

Im vergangenen Jahr hatten mehrere kopftuchtragende Lehrerinnen Entschädigungen erstritten, weil sie eine Diskriminierung geltend machten, drei weitere Klagen sind anhängig. Das Arbeitsgericht bezog sich bei seinen Entscheidungen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte 2015 geurteilt, ein pauschales „Kopftuchverbot“ sei unzulässig, der Schulfrieden müsse „konkret“ gefährdet sein.

Allerdings widerspricht dies dem Urteil eines anderen Verfassungsgerichts-Senats von 2003, worauf der Staatskirchenrechtler Gerhard Czermak hinweist. In einem Gutachten, das die „Initiative PRO Berliner Neutralitätsgesetz“ in der vergangenen Woche präsentierte, argumentiert Czermak, das Urteil von 2003, nach dem eine „abstrakte Gefährdung“ für ein Verbot religiöser Bekleidung im Unterricht ausreiche, sei weiterhin gültig: „Wenn zwei Senate des BVerfG in tragenden Entscheidungsgründen sich widersprechende Meinungen vertreten, verlieren beide Entscheidungen die Bindungswirkung.“ Nur eine Plenarentscheidung beider Gerichtssenate könne das ändern.

Inhaltlich hält Czermak es für „verfassungsrechtlich fragwürdig“, wenn die Religionsfreiheit gegenüber dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates höher bewertet werde. Die Initiative „PRO Berliner Neutralitätsgesetz“ geht unter anderem auf die Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne zurück. Unter den rund 150 Erstunterzeich­nerInnen, zu denen PolitikerInnen und PädagogInnen gehören, sind auch Christen, ­Muslime und Juden. Derzeit sammeln sie weitere ­Unterschriften, die sie noch im Januar dem Regierenden Bürgermeister überreichen ­wollen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.