Kritik an Trennung vom Muttertier: Abschiedsschmerz auch bei Kühen

Tierschützer protestieren gegen die frühe Trennung von Mutter und Kalb. Alternative Aufzuchtformen existieren – und sind gar nicht so aufwendig.

Mehrere Kühe stehen um ein Kalb herum

Bye bye, Babykuh? Foto: dpa

Eltern schmerzt der Abschied von ihren Kindern – bei Menschen wie bei Kühen. Doch wie das Leiden lindern? Dazu haben die Tierrechtler von Peta nun eine Kampagne gestartet. Im „Goodbye Milch“-Spot sieht man, wie eine tieftraurige Mutter ihren Sohn am Bahnhof verabschiedet. In der nächsten Szene wird auf eine Kuh, die ihr Junges ableckt, geschwenkt. Kurz danach nähert sich eine dunkle Gestalt und entreißt der Mutterkuh ihr Kalb. Das sei für „Millionen Kühe in der Milchindustrie brutale Realität“.

In der Tat haben Muttertier und Kalb bei Milchkühen nicht viel voneinander: Schon nach wenigen Stunden oder am Tag nach der Geburt werden sie üblicherweise voneinander getrennt. Weshalb Peta nun zum Verzicht auf Kuhmilch aufruft, inklusive „Gewinnchance auf No-Milk-Startersets der kooperierenden Firma Oatly sowie die Möglichkeit, an einer 21-Tage-#GoodbyeMilch-Challenge teilzunehmen“. Stattdessen setzen sich die Tierrechtler für den Konsum von pflanzlichen Alternativen wie Soja- oder Hafermilch ein.

„Natürlich ist das ein Stück weit wider die Natur“, gesteht Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Doch eine relativ schnelle Trennung nach der Geburt verursache weniger Schmerzen als eine zu lange Gewöhnungsphase, sagt Foldenauer. Kerstin Barth, die am bundeseigenen Thünen-Institut für Ökologischen Landbau zu Kälberaufzucht forscht, bestätigt das: „Je länger Kalb und Kuh zusammen sind, desto stärker die Bindung und desto größer wird auch der Trennungsstress.“

Dennoch plädiert Barth für eine spätere Trennung, wie sie zum Beispiel bei der alternativen muttergebundenen Kälberaufzucht praktiziert wird. Mutterkuh und Kalb bleiben dabei mehrere Wochen oder sogar Monate zusammen. Das bedeute nicht nur mehr Zuwendung und Fürsorge für das Junge, sondern auch eine bessere Entwicklung des Sozialverhaltens. „Die Vorteile für das Tierwohl überwiegen“, sagt Barth. Wichtig sei nur, dass die Trennung nach der längeren Gewöhnungszeit möglichst schonend abläuft.

Auch viele VerbraucherInnen befürworten eine spätere Trennung. So sprachen sich in einer repräsentativen Umfrage der Universität Göttingen und der University of British Columbia 39 Prozent dafür aus, für eine frühe Trennung hingegen nur 18 Prozent.

Der Liter kostet 26 Cent mehr

Doch nur wenige Höfe praktizieren eine alternative Aufzuchtsform. Auch für Bio-Milchbauern ist diese nicht verpflichtend. Bundesweit 43 Höfe hat die Welttierschutzgesellschaft aufgelistet, die muttergebundene Aufzucht betreiben oder mit Ammenkühen arbeiten, die die Kälber aufziehen.

Ein Grund dafür ist laut Barth, dass die Ställe normalerweise nicht für das Zusammensein von Kalb und Kuh gestaltet sind. Die Ställe umzubauen sei mit entsprechenden Kosten verbunden. Wenn das Kalb länger bei der Mutter bleibt, trinkt es zudem mehr Milch, die dann nicht mehr verkauft werden kann. Die alternative Milch müsste also im Verkauf wesentlich teurer sein.

„Alle wollen die Haltung, aber nicht den Preis dafür bezahlen“, sagt jedoch Martina Bressel, die mit ihrer Familie im brandenburgischen Chorin den Demeter-Hof Schwalbennest betreibt. Die Kälber bleiben hier bis zu acht Monate bei der Mutter. 1,35 Euro kostet der Liter Vollmilch bei Bressels, ein Liter konventionelle Bio-Vollmilch kostet derzeit etwa ab 1,09 Euro.

Verkauft wird die Milch direkt vom Hof als Rohmilch, ähnlich wie bei anderen Höfen, die auf eine der alternativen Aufzuchtsformen setzen. Manche liefern auch an Molkereien. Doch diese erfassen die „alternative“ Milch nicht separat. Die VerbraucherInnen wissen also nicht, ob sie mit ihrem Milchkauf das längere Zusammensein von Kuh und Kalb unterstützen. Wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, warum sich das tierfreundlichere Aufzuchtkonzept nicht durchsetzt: „Die Vermarktungsfrage ist wichtig, die Milch muss als solche gekennzeichnet sein“, sagt Thünen-Forscherin Barth.

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