Neue Ermittlungen wegen § 219 a

Nach einer Solidaritätsbekundung für Kristina Hänel in der taz wurden jetzt mehrere ÄrztInnen angezeigt

Von Dinah Riese

Gegen mindestens drei ÄrztInnen laufen Ermittlungsverfahren nach einer Solidaritätsbekundung mit einer Kollegin. Die MedizinerInnen aus verschiedenen Bundesländern hatten im November gemeinsam mit weiteren MedizinerInnen auf der Titelseite der taz erklärt: „Wir machen Schwangerschaftsabbrüche.“

Grund für die Aktion war der bevorstehende Prozess gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die auf der Webseite ihrer Praxis angegeben hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt – nach Ansicht der ermittelnden Behörden ein Verstoß gegen den Paragrafen 219 a Strafgesetzbuch, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet.

Die jetzt aus demselben Grunde angezeigten ÄrztInnen kommen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen. In mindestens einem der Fälle steht hinter der Anzeige die Initiative „Nie wieder“ um den Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen aus Weinheim. Das geht aus einer Vorladung hervor, die der taz vorliegt. Es liegt nahe, dass dies auch in den anderen Fällen zutrifft und dass die Anzeigen sich auf die Erklärung in der taz beziehen.

Die Anwälte mehrerer der nun Betroffenen haben Akteneinsicht beantragt. Bislang wollen sich die Angezeigten nicht öffentlich äußern, ihre Namen liegen der Redaktion aber vor. Zudem soll gegen eine weitere Ärztin aus Sachsen ermittelt werden. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des sächsischen Linkenpolitikers Klaus Bartl an das sächsische Justizministerium vom Ende des vergangenen Jahres hervor, über die zuerst die Sächsische Zeitung berichtet hatte. In der Antwort des sächsischen Justizministeriums heißt es, Mitte Dezember sei in drei Fällen wegen des Anfangsverdachts des Verstoßes gegen Paragraf 219 a StGB ermittelt worden. Bei einem Fall sei der Beschuldigten zur Last gelegt worden, „sich gemeinsam mit 37 anderen Gynäkologinnen und Gynäkologen in der ‚Tageszeitung‘ dazu bekannt zu haben, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen“.

Bei den zwei anderen Fällen aus Sachsen geht es um die Webseiten von ÄrztInnen. Auch in Hessen wird gegen mindestens eine weitere Ärztin und ihre Kollegin wegen eines Eintrags auf ihrer Website ermittelt. Ihr Anwalt sagte der taz, er habe Mitte Januar eine umfangreiche Verteidigungsschrift vorgelegt. Ob die laufenden Ermittlungsverfahren tatsächlich in Anklagen münden werden, bleibe abzuwarten.

„Mit Entsetzen habe ich gehört, dass KollegInnen, die sich öffentlich mit mir solidarisiert haben, angezeigt worden sind“, sagte Kristina Hänel der taz. „Gleichzeitig verleugnen selbsternannte ‚Lebensschützer‘ ungestraft die Leiden der Holocaustopfer.“

SPD, Grüne und Linkspartei im Bundestag wollen den Paragrafen streichen. Sie sehen darin einen Eingriff in das Recht auf Information und auf freie Arztwahl der Frauen sowie in die Berufsfreiheit der ÄrztInnen. Alle drei Fraktionen haben Gesetzentwürfe beschlossen, die die Streichung des Paragrafen vorsehen. Darüber soll am 22. Februar im Bundestag diskutiert werden.

Parallel haben die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Thüringen im Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur Streichung des Paragrafen 219 a StGB eingebracht. Dieser wird derzeit in den Ausschüssen beraten.