Prozess gegen AfD-Politiker eröffnet: Vorwurf Volksverhetzung

Der Lichtenberger AfD-Politiker Kay Nerstheimer steht seit Freitag vor Gericht. Hintergrund sind homophobe Äußerungen auf Facebook. Im Prozess schweigt er.

Nerstheimer war als Lichtenberger Direktkandidat ins Abgeordnetenhaus eingezogen Foto: dpa

Es wirkt etwas bizarr, als der Staatsanwalt mit monotoner Stimme die Anklage verliest: Seitenweise Beschimpfungen werden da zitiert, Schwule seien eine „degenerierte Spezies“ und „widernatürlich“, heißt es, bei Homosexualität handele es sich um einen „Gendefekt“. Es geht um Facebook-Kommentare aus dem Dezember 2014, der Lichtenberger AfD-Politiker Kay Nerstheimer soll sie geschrieben haben, und deswegen wird an diesem Freitag vor dem Amtsgericht Tiergarten gegen ihn ein Prozess wegen Volksverhetzung eröffnet.

Nerstheimer will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Vertreten wird er von dem sächsischen AfD-Politiker Roland Ulbrich, der bis zum Ausscheiden Frauke Petrys als einer ihrer erbittersten Gegner in deren Landesverband galt – auf dem Parteitag der sächsischen AfD im Februar würde er sich gern als neuer Landeschef wählen lassen. Es ist der ganz rechte AfD-Flügel, der hier zusammen kommt: Nerstheimer und Ulbrich auf der Anklagebank, im Publikum der im Sommer aus der Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete Andreas Wild sowie Johannes Sondermann, der in Berlin die Fahne der innerparteilichen Strömung Patriotische Plattform hoch hält.

Es ist nicht das erste Mal, dass Nerstheimer aufgrund seiner politischen Äußerungen Probleme bekommt. Noch bevor sich im September 2016 die Berliner AfD-Fraktion konstituierte, hatte er seinen Verzicht auf die Fraktionszugehörigkeit erklärt. Hintergrund waren schon damals die Empörung über seine homophoben Äußerungen auf Facebook sowie die Tatsache, dass er noch 2012 als Chef der rechtsextremen Organisation German Defence League aufgetreten war.

Wild und Nerstheimer, die beiden fraktionslosen Abgeordneten mit AfD-Parteibuch, hatten in der letzten Woche erklärt, eine eigene parlamentarische Gruppe mit dem Namen „Die Blauen“ gründen zu wollen. Zu der irritierenden Namenswahl – diesen Namen trägt auch Frauke Petrys neues Parteiprojekt – sagte Wild am Freitag, er finde ihn „einfach ganz gelungen“. Die Vorwürfe gegen Nerstheimer wies er zurück: Es müsse in Deutschland möglich sein, „öffentlich Kritik zu üben an dem Anliegen der Homosexuellen, permanent in der Öffentlichkeit zu sein.“ Er schätze Nerstheimer „als Abgeordneten und Kollegen“.

Ein Urteil wird an diesem Freitag noch nicht gefällt, dafür gibt es einen bizarren Antrag der Verteidigung: Sie will einen medizinischen Sachverständigen hinzuziehen, um zu beweisen, dass die Behauptung, Homosexualität sei widernatürlich „eine vertretbare wissenschaftliche These“ sei. Man müsse auch unpopuläre wissenschaftliche Thesen aussprechen dürfen, erklärt Ulbrich nach Ende des Termins, und vergleicht seinen Mandanten mit Galileo Galilei. Am 13. Februar wird der Prozess fortgesetzt.

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