LSU-Vorsitzender über GroKo-Vertrag: „Vor der eigenen Haustür kehren“

Der LSU-Vorsitzende Alexander Vogt bewertet die Einigung zwischen den Unionsparteien und der SPD. Glücklich ist er mit dem Vertrag nicht.

Ein Hochzeitspaar beim beim Christopher Street Day in Berlin

„Durch eine Änderung von Artikel 3 GG käme LSBTI-Personen der gleiche Schutz zu wie heterosexuellen Menschen.“ Foto: reuters

taz am wochenende: Herr Vogt, der Koalitionsvertrag ist endlich beschlossen – sind sie jetzt glücklich?

Alexander Vogt: Glücklich wäre übertrieben, aber ich kann sagen, dass ich mit einigen Dingen zufrieden bin und mich meine Partei hier und da auch positiv überrascht hat. Trotzdem weist der Vertrag aus meiner Sicht Lücken auf. Beispielsweise bleibt hinsichtlich Regenbogenfamilien ein Regelungsbedarf. Wie eine Lösung im Detail aussehen kann, müssten wir diskutieren. Klar ist aber, dass Familien mit gleichgeschlechtlichen Partnern den heterosexuellen Familien rechtlich gleichgestellt werden müssen.

Der Berichterstatter für LSBTI in der FDP-Bundestagsfraktion ist deutlicher. Er nennt den Vertrag „ambitionslos“, dieser komme nicht über das gesetzlich Zwingende hinaus – ist seine Kritik zu scharf?

Ambitionslos? Das sehe ich nicht so. Ich habe mich schon sehr darüber gefreut, dass der Koalitionsvertrag keine Familienform bevorzugt. Ein weiterer positiver Punkt ist, dass der Vertrag die Homo- und Transsexuellenfeindlichkeit explizit benennt und dagegen vorgehen will.

Die LSU fordert eine Reform des Transsexuellengesetzes. Welche Änderungen streben Sie an?

Das aktuelle Transsexuellengesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Schon allein deswegen muss es überarbeitet werden. Manche fordern die komplette Abschaffung des Gesetzes. Wir wünschen uns einen Diskurs mit den Betroffenen, um mit der nötigen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit eine gute Lösung zu erarbeiten. Die Frist, die das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber zur Reform des Gesetzes gestellt hat, läuft übrigens Ende des Jahres ab.

Welche Verbesserungen für LSBTI-Personen erhoffen Sie sich durch die Ergänzung des Artikel 3 GG um die Merkmale der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität?

Der Schutz wäre dadurch einfach stärker. Während ein einfachesAntidiskriminierungsgesetz mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag gekippt werden könnte, braucht es für die Änderung des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit. Mit einer entsprechenden Änderung von Artikel 3 des Grundgesetzes käme LSBTI-Personen der gleiche Schutz zu wie heterosexuellen Menschen.

49, berufstätig als Banker, ist seit 8 Jahren Bundesvorsitzender des Verbands der Lesben- und Schwulen in der Union (LSU).

Das erste Kapitel des Koalitionsvertrages ist dem Thema Europa gewidmet. Wäre es nicht auch in Ihrem Bereich Zeit für eine europäische Lösung, zum Beispiel bei den Rechten von Regenbogenfamilien?

Klar muss auch auf der europäischen Ebene etwas passieren. Dort versuchen wir gerade auszuloten, wie die Situation in den verschiedenen Ländern genau aussieht. Oft ist die Lage im EU-Ausland viel kritischer als bei uns, schauen Sie zum Beispiel nach Polen, wo Homo- und Transsexuelle, die sich öffentlich zeigen, um Leib und Leben fürchten müssen. Eine große europäische Lösung für diese Probleme fände ich natürlich wünschenswert, aber ich sehe sie noch nicht. Wenn wir aber als Deutsche den Anspruch haben, international etwas zu bewegen, dann sollten wir erst mal vor der eigenen Haustür kehren und unsere eigenen Probleme lösen.

In dem Vertragswerk findet die Häufung der Gewalt gegen Homo- und Transsexuelle Personen keine Erwähnung. Haben die VerhandlerInnen das Thema übersehen?

Das stimmt, ich hätte mir gewünscht, dass auch dieser Sachverhalt im Vertrag benannt wird – so wie auch die Gewalt gegen Kinder und Frauen explizit drin steht. Dass die VerhandlerInnen das Thema übersehen haben, denke ich jedoch nicht. Die LSU arbeitet jedenfalls sehr stark an diesem Thema und wird es auch weiterhin forcieren. Mit der SPD hätten wir in der Koalition zudem einen Partner, der diesen Themen gegenüber traditionell etwas offener ist.

Eine weiter Forderung der LSU ist die Erstellung eines Aktionsplanes gegen Homo- und Transphobie – wie sieht es damit aus?

Einen Aktionsplan für mehr Toleranz gibt es bereits, bezogen auf das Thema Homo- und Transphobie muss der Plan jedoch noch mit Inhalt gefüllt werden. Diese Absicht ist auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Ob das mehr als ein Lippenbekenntnis ist, wird man sehen – wir werden auf die Umsetzung jedenfalls pochen!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.