Kommentar kostenloser Nahverkehr: Eine systemsprengende Idee

Der Vorstoß der amtierenden Minister kann den Weg für eine echte Verkehrswende bereiten. Es fehlt nur noch die Finanzierung und der Wille der Regierung.

Eine BVG-Angestellter spielt in einem Bus Guitarre, zwei Kollegen sitzen danebe

Busfahren ist doch viel schöner als bei Stau im Auto zu schmoren Foto: reuters

Der Vorstoß der Bundesregierung für einen Nulltarif im Nahverkehr, um die Klageandrohung der EU abzuwehren, geht in die richtige Richtung. Im Detail ist er allerdings als „Schnellschuss“ halbgar und bedarf der Nachbesserung, damit daraus ein glaubhafter Einstieg in die längst überfällige Verkehrswende wird.

Richtig ist, wer Fahrverbote verhindern will, muss massiv Autoverkehr einsparen. Dafür braucht man eine Angebotsoffensive bei Bussen und Bahnen (und natürlich auch Fuß- und Radverkehr). Und die kostet Geld. Für neue Busse und Bahnen und für den vervielfachten Betriebsaufwand.

Bisher fördert der Bund keine ÖPNV-Betriebskosten. Wenn er Null­tarif will, muss er das auch finanzieren. Aber nicht nur in fünf Modell­gemeinden, denn das Problem besteht ja nachweislich in 75 hoch belasteten Städten. Wenn man breit messen würde, kämen Hunderte stark mit­ Autoverkehr und Luftschadstoffen be­lastete Klein- und Mittelstädte dazu.

Brüssel wird zu Recht sagen: „Gute Idee, aber bitte mehr davon, im ganzen Land.“ Dann kostete das rund 12 Mil­liarden Euro an Kompensation der Fahrgeldeinnahmen. Hinzu kämen Investitionen für neue Busse und Bahnen in gleicher Höhe. Also „eine Menge Holz“ für Verkehrsbetriebe und ihre Eigentümer. Aber es wäre auch: das wichtigste Zukunftsinvestitions- und Klimaschutzprogramm für Deutschland. Gebraucht würden freilich auch mehr Bundesmittel für Radschnellwege und -stationen.

Also kann dieser winzige, aber systemverändernde Vorstoß der drei amtierenden Minister den Weg bereiten für eine echte Verkehrswende. Damit lässt sich auf der anderen Seite viel Geld sparen, weil bei abnehmendem Autoverkehr das Autosystem nicht weiter ausgebaut werden muss. Dafür hat bislang der Bund viele Milliarden eingeplant. Das neue Kabinett muss nun eine neue Verkehrsfinanzierung einleiten, die leider in der aktuellen Koalitionsvereinbarung noch keine Rolle spielt.

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