Neues Album von Ezra Furman: Ansteckendes Wachstum

Der queere US-Singer-Songwriter Ezra Furman kommt mit seinem neuen Album „Transangelic Exodus“ für ein Konzert nach Berlin.

ein Mann schaut aus dem Fahrerfenster eines Autos - vermutlich aus den 50er Jahren

Auf irrem Roadtrip durch die USA: Ezra Furman Foto: Jason Simmons

In der Windschutzscheibe spiegeln sich die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos. Ein gehetzter Blick aus kajalumrandeten Augen in den Rückspiegel. Diese Szene in Schwarz-Weiß ist festgehalten auf dem ­Cover von Ezra Furmans „Transangelic Exodus“. Das neue Album des Chicagoer Songwriters ist ein schlafloser Roadtrip quer durch Amerika, immer entlang der gelben Straßenmarkierungen.

Furman, der sich stets von Filmemachern und Schriftstellern hat inspirieren lassen, sieht sein neues Werk mehr als Roman denn als Konzeptalbum, halb Fiktion, halb Autobiografie. In dieser „queer outlaw saga“ geht es um einen Engel, der von der Regierung verfolgt wird. Im Krankenhaus hat er sich wegen seiner neu gewachsenen Flügel behandeln lassen, nun muss er mit seinem Liebhaber fliehen, denn: Die Behörden glauben, das Flügelwachstum sei ansteckend.

Natürlich ist dies ein unverhohlener Kommentar auf die momentane Grundstimmung in den USA. Dass Furman das dramatische Wort „Exodus“ für den Titel gewählt hat, ist kein Zufall: Der gläubige Jude fürchtet zwar nicht explizit eine neue Fluchtbewegung, keinen Auszug der Israeliten aus Ägypten, doch die Wut auf die Zustände in den USA ist ihm in jeder Zeile seiner Texte anzumerken. Im Video zu „Love You so Bad“ lässt der 31-jährige Künstler ein Tableau aus Spielkarten, Zigaretten und seinem Uni-Zeugnis anzünden. „Fire and Fury“ einmal anders.

Feuer und Läuse

Furman wünscht diesem „Egypt“, diesem verflucht konservativen Land, Blut, Feuer und Läuse auf den Hals. So weit, Donald Trump als bösartigen Pharao darzustellen, geht Furman dann aber doch nicht. Vermutlich nur, weil dieses bizarre Bild nicht in eine popkulturelle Welt passen würde, die stets am besten funktioniert, wenn sie sich halbwegs sublimer Zeichen bedient.

Ezra Furmans Songs klingen aber auch ohne historische Kenntnisse toll: Eine dumpfe, leicht paranoide Grundstimmung zeichnet „Transangelic Exodus“ aus, angereichert mit schrägen Drones und Horrorfilm-Soundeffekten. Mit dem Starrsinn des frühen Solo-John-Lennon deklamiert der Sänger seine Texte: „I am shattered / I am bleeding / But God damn it I’m alive“. Doo-Wop-Prägungen hallen in den Background-Chören nach, aber „Transangelic Exodus“ hat nun viele ätherische Dämpfe aus dem Goldenen Glamrock-Zeitalter der Siebziger eingeatmet.

Da sind die Bowie-artigen Gitarren. Und wie sehr Furman durch den queeren New Yorker Rock-’n’-Roll-Misanthropen Lou Reed beeinflusst wurde (im Frühjahr erscheint in der Buch-Reihe „33 1/3“ Furmans Beitrag über dessen Meisterwerk „Transformer“), beweist das morbide „God Lifts Up the Lowly“.

Ein Song, leicht verzerrt sprechgesungen, nur untermalt von trockenen Drums und einem düsteren und doch beruhigenden Cello. Der Protagonist ist getroffen und verletzt, aber er bleibt empfindsam. Gottglaube und Homosexualität stehen für Furman nicht im Widerspruch. Angesichts der nächtlichen Verlockungen von Rock ’n’ Roll ist er froh über Beistand von oben.

Ezra Furman: „Transangelic Exodus“ (Bella Union/PIAS/Cooperative Music);

live: 15. Februar, Festsaal Kreuzberg, Berlin.

Wenig Schlaf, viele Drogen

Er schlafe wenig und andauernd würden ihm Drogen angeboten, klagte Furman gerade im Radio. Jedoch: „I’m glad to have a little string, tied to the balloon of god.“ Ein ballongleicher Gott, einer dieser typischen, merkwürdigen Furman-Metaphern, die zur Welt des Trans-Engels passt. Er habe keine Angst, denn er lese ja nachts Psalmen, singt der Mann, der nie an Freitagen auftritt, in „Psalm 151“.

Bei aller Kritik am System gefällt sich Furman durchaus in der Rolle des Unangepassten: „I’m a queer for life, outlaw, outsider“ heißt es in „I Lost my Innocence“. Der Song beschließt das Album mit Funk-Gitarren und beschwingtem Saxofon erstaunlich gut gelaunt. Es besteht noch Hoffnung im Land der Pharaonen.

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