Die Wahrheit: Mainz bleibt Köln, wie es stinkt und …

Wer sich als Kölner im Mainzer Karneval ausgibt, der merkt schnell: Egal, wohin du gehst, es kommt darauf an, wo du herkommst!

Als Karnevalsskeptiker blieb einem in der schlimmen Woche zwischen Weiberfasching und Aschermittwoch eigentlich nur der Rückzug in die Berge. Oder aber man ging in die Offensive und fuhr aus einer in puncto Fasnet eher zurückhaltenden Stadt wie zum Beispiel Berlin direkt nach Mainz, um sich dort als unverkleideter Kölner auszugeben.

Zunächst befleiße man sich hierfür einer lächerlichen Dia­lektimitation, die jedem Kölner­ spottet und dem Rheinischen jegliches „Jeföhl“ nimmt, die aber bei ahnungslosen Außenstehenden – in diesem Fall also Mainzern – locker als authentisch durchgeht. Und warum? Einfach, um dort ein paar Gemein- und Unwahrheiten unter die Leute zu bringen, weil einem selbst doch der Unterschied zwischen Helau und Alaaf völlig egal ist.

Am häufigsten wird man dann im Verlauf dieser Ex­trem­tage gefragt, was „om Jottes Willen“ man denn zu dieser Zeit als Kölner in Mainz mache. Und warum man kein Kostüm trage. „Dat hat wat mit Respäkt zo tun!“, erklärt man, denn echte Karnevalisten verkleiden sich aus Ehrfurcht vor der großen Tradition nie, wenn sie fremde Hochburgen besuchen. Ist die Täuschung geglückt, stellt der Gegenüber schließlich die Gretchenfrage: „Ihr seid also richtige Kölsche Jecken?“

Dies beantworte man am besten so höflich wie gelogen: „Ja! Aber bei os in Kölle sagt man ‚Schecken‘.“ Hat man sich derart aufgewärmt, geht es in die nächste Runde: Provokation. „Isch muss sagen: Ihr in Mainz habt dat hier mit dem Karneval wirklich janz jut nachjemacht!“ Der Vorwurf der Nachahmung schmerzt eingefleischte Faschingsfans sehr – denkt man! Tatsächlich schleppt der gemeine Mainzer diesbezüglich einige Minderwertigkeitskomplexe mit sich herum. Traurige Eingeständnisse wie „Ja, es ist leider nicht ganz so wie in Köln hier – deshalb heißt es ja auch nur Fastnacht“ sind keine Seltenheit.

Die dritte Eskalationsstufe führt an solch weinerlichen Bekenntnissen vorbei direktemang zum Streit. Vereinzelt trifft man hartgesottene Närrinnen und Narren mit merkwürdig-hässlichen Kappen, die schon verraten, dass hier welche am Werke sind, die sich völlig unironisch zubechern, um hernach Lieder wie „Wir danken, dass wir Gast auf Erden sind“ des singenden CDU-Politikers Thomas Neger zum Besten zu geben.

Jetzt gilt es, diese Prachtexem­plare in hitzige Diskussionen zu verwickeln, bis sie bemerken:­ „Du kommst doch gar net aus Köln!“ Die Begleitperson wird im Erfolgsfall erwidern: „Doch, das hörst du doch, dass der aus dem Pott kommt!“ Und der Streithahn, so er denn einer ist, wird letztlich wutentbrannt handgreiflich und krakeelen: „Nä! Das ist ein Ossi!“

So lernt man zu guter Letzt auch die wichtigste Lektion der fünften Jahreszeit: Es ist egal, wohin du gehst, es kommt drauf an, wo du herkommst. In meinem Fall aus der ehemaligen DDR-Metropole Stuttgart. „Aver em Herzen ben on bleive isch ne eschte Kölsche Scheck.“

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Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.

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kari

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