Berliner Justiz und die Räder: Wieder aufgerollt

Nach Intervention des Justizsenators nimmt die Staatsanwaltschaft einen Konfliktfall zwischen einer Fahrradpolizistin und einer Autofahrerin wieder auf.

Justitia Berlin: Blind oder Windschutzscheibenperspektive? Foto: dpa

Nicht nur in Juristenkreisen sorgt der Fall für Gesprächsstoff: Die Staatsanwaltschaft hat ein bereits eingestelltes Verfahren gegen eine Autofahrerin wiederaufgenommen, nachdem Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sanften politischen Druck ausgeübt hat. Die Autofahrerin soll eine Fahrradpolizistin, die in Zivil unterwegs war, massiv bedrängt haben. Im Rechtsausschuss bestätigte Behrendt am Mittwoch, dass er bei der Anklagebehörde einen Bericht über den Vorgang angefordert hatte. Die Staatsanwaltschaft habe sich den Fall daraufhin noch einmal vorgenommen. „Die Ermittlungen laufen wieder“, so Behrendt.

Ins Rollen gekommen war die Sache Anfang der Woche durch einen Bericht im Tagesspiegel. Der Vorfall selbst, der in dem Artikel unter Berufung auf die Fahrradpolizistin ausführlich geschildert wurde, soll sich bereits im November 2016 zugetragen haben. Die Kommissarin sei mit ihrem Privatrad, aus Karow kommend, stadteinwärts auf dem Weg zum Dienst gewesen. Weil sie zügig fahre, habe sie die Fahrbahn statt des nicht benutzungspflichtigen holprigen Radwegs benutzt. Hinter der Beuthener Straße habe sich ein Opel knapp neben sie gesetzt, die Fahrerin habe sie durch das offene Fenster angebrüllt: „Fahr auf dem Radweg!“

Vor der nächsten Kreuzung habe die Beamtin an die nunmehr geschlossene Scheibe des Pkws geklopft, die Fahrerin habe darauf aber nicht reagiert. Mit aufheulendem Motor sei der Opel langsam in Richtung Kreuzung vorgerückt. In diesem Moment habe sich die Radfahrerin als Polizistin zu erkennen gegeben und die Papiere der Autofahrerin gefordert. So schreibt der Tagesspiegel.

Die Frau am Lenkrad habe weiterhin nicht reagiert und der Polizistin den Vogel gezeigt. Nun habe die Kommissarin ihr Rad vor den Opel gelegt, den Dienstausweis an die Scheibe gehalten, die Frau zum Aussteigen aufgefordert und über Notruf Kollegen informiert. Plötzlich sei die Frau ausgestiegen, habe das vor dem Opel liegende Rad an den Bordstein geworfen, sei wieder eingestiegen und habe mit heulendem Motor versucht, das Rad zu umkurven. Dabei sei sie der Polizistin, die mit den Händen auf der Motorhaube vor dem Opel gestanden habe, mehrfach gegen die Schienbeine gefahren. Aus Furcht, gleich überfahren zu werden, sei die Beamtin zur Seite gesprungen. Eine Passantin habe sich als Zeugin gemeldet.

Die Kommissarin, von der es heißt, sie sei seit dreieinhalb Jahren bei der Fahrradstaffel der Polizei tätig, erstattete Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, Widerstand und Sachbeschädigung. Im November 2017 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die Autofahrerin jedoch wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses ein. Eine Beschwerde der Polizistin wurde von der Generalstaatsanwaltschaft nach neuerlicher Prüfung des Vorgangs zurückgewiesen.

Dass der Fall nach Intervention von Senator Behrendt nun wieder aufgerollt wird, stößt auf geteilte Reaktionen. Die Polizeigewerkschaften und der Fahrradclub ADFC begrüßen die Entscheidung. Der Fall sei exemplarisch für den Umgang der Justiz mit Verkehrsrowdys, sagte der Sprecher des ADFC Berlin, Nikolas Linck, am Freitag zur taz. Beurteilt würden die Fälle von den Behörden „zumeist aus der Windschutzscheibenperspektive“. Polizisten seien sehr glaubwürdige Zeugen. Dass es selbst bei solchen Fällen von Nötigung nicht zur Verfolgung komme, „spricht dafür, dass das die Spitze des Eisbergs ist“.

In Anwaltskreisen spricht man dagegen von einer aufgebauschten Lappalie: Hätte die Polizistin nicht überreagiert, wäre es zu alldem nicht gekommen. Dass Polizisten im Konflikt mit Bürgern gern eine Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erstatten, sei von anderen Fällen her hinlänglich bekannt, zum Beispiel von Demonstrationen.

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