Rechtsmediziner kritisieren Ausbilder: Rekrut starb nach Regelbruch

Vor sieben Monaten brach ein Offiziersanwärter mit einem Hitzeschlag zusammen. Jetzt drohen seinen Vorgesetzen Konsequenzen.

Soldaten marschieren

Soldaten der Bundeswehr marschieren in Marienberg Foto: reuters

BERLIN taz | In ihren Richtlinien und Dienstvorschriften lässt die Bundeswehr kaum ein Detail ungeregelt. In der Zentralrichtlinie A2-226/0-0-4710 finden sich zum Beispiel Anweisungen fürs Marschieren in der Gruppe: Jeder Soldat hat vor dem Abmarsch „nach Möglichkeit frische Strümpfe und Unterwäsche“ anzuziehen. Der Gruppenführer soll dafür sorgen, dass alle „Soldaten bzw. Soldatinnen vor Beginn des Marsches ihre Notdurft verrichten“.

Vor allem aber haben Vorgesetzte „die körperliche Verfassung“ aller zu beobachten. Soldaten mit Hitzeschlag dürfen „keinen Schritt mehr gehen“ und der „erste Marschausfall ist für die Führer bzw. Führerinnen das Zeichen zu erhöhter Vorsicht“.

Über sieben Monate nach dem Tod eines Rekruten im niedersächsischen Munster will die Bundeswehr diese und andere Vorschriften jetzt genauer in den Blick nehmen. Im Juli 2017 waren mehrere Offiziersanwärter während eines Eingewöhnungsmarsches kollabiert; ein 21-Jähriger starb anschließend an den Folgen eines Hitzeschlags. Wie der Spiegel am Wochenende berichtete, liegt dem Verteidigungsministerium und der zuständigen Staatsanwaltschaft seit wenigen Tagen ein rechtsmedizinisches Gutachten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor.

Die Experten sollen darin zwei Ausbildern vorwerfen, die Vorschriften für Übungsmärsche und die Fürsorgepflicht gegenüber den Rekruten nicht eingehalten zu haben. Den Ausbildern drohe jetzt ein Strafverfahren, unter Umständen wegen fahrlässiger Tötung.

Ministerium prüft Ausbildungsstruktur

Infolge der Veröffentlichung teilte das Ministerium der dpa mit, dass die Bundeswehr derzeit die Ausbildungsstrukturen in allen Teilstreitkräften überprüfe. Im Anschluss werde Mitte März der Verteidigungsausschuss des Bundestags informiert.

Auch nach dem Todesfall in Munster erlitten Bundeswehrsoldaten mehrfach Gesundheitsschäden nach starker körperlicher Anstrengung. Im Januar brachen in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne mehrere Soldaten nach einem Geländelauf zusammen. Am gleichen Standort kam kurz darauf eine Soldatin ins Krankenhaus: Sie hatte nach der Einnahme von Antibiotika bei Minustemperaturen an einer mehrtägigen Übung teilgenommen.

Die Ausbilder sollen ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Rekruten nicht eingehalten haben

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hatte vor zwei Wochen in seinem Jahresbericht den Umgang des Ministeriums mit dem Todesfall in Munster kritisiert. In einem vorläufigen Untersuchungsbericht werden von „unzweckmäßigen Entscheidungen der Ausbilder“ gesprochen. Das klinge „euphemistisch“ und lasse offen, „ob überhaupt irgendetwas falsch gemacht wurde“.

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