Syriens Regierung behindert Hilfe: „Apokalypse“ in der Ost-Ghouta

Die Eingeschlossenen in der Ost-Ghouta warten weiterhin vergeblich auf Hilfe. Die Regierung setzt auf die Eroberung der Region.

Mitglieder des Zivilschutzes sehen Hilfskonvois in der Ost-Ghouta zu

Es kam ein Hilfskonvoi in die Ost-Ghouta, doch einige Lastwagen konnten nicht entladen werden Foto: reuters

GENF/BERLIN taz | Von einer „Apokalypse“ in Syrien spricht der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein, in seinem am Mittwoch in Genf veröffentlichten Jahresbericht. „Nächsten Monat oder den Monat darauf werden die Menschen eine Apokalypse erleben, die gewollt, geplant und ausgeführt wird von Akteuren in der Regierung – offenbar mit vollem Rückhalt durch einige ihrer ausländischen Unterstützer“, sagte der Jordanier.

Die unverändert dramatische Lage in der belagerten Ost-Ghouta war am Mittwoch Gegenstand einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. Frankreich und Großbritannien haben sie beantragt.

Am Dienstag hatte die Regierung von Präsident Baschar al-Assad zwar erstmals seit dem 7. Februar eine Hilfslieferung mit überlebenswichtigen Gütern in die von Regierungstruppen seit Monaten belagerte und von Kampfflugzeugen beschossene Enklave zugelassen, in der rund 400.000 Zivilisten seit 2013 eingeschlossen sind. Von den 46 Lastwagen des vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) geführten Hilfskonvois mit Lebensmitteln und Medikamenten für 27.500 Menschen entfernten nach Angaben der Weltgesundheitsorganistion (WHO) syrische Staatsbedienstete vor der Einfahrt in die Enklave allerdings 70 Prozent aller Hilfsgüter – darunter alle medizinischen Güter wie Ersthilfesets, Operationsbestecke und Insulin.

Zudem konnten wegen des Artilleriebeschusses durch syrische Truppen nur 32 Lastwagen entladen werden. Die übrigen mussten die Enklave mit ihrer Fracht wieder verlassen. „Wir sind schweren Herzens wieder gefahren“, erklärte Pawel Krzysiek, IKRK-Sprecher in Syrien.

In der Nacht zu Mittwoch appellierte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres an die Konfliktparteien, umgehend ohne jede Behinderung humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ost-Ghouta zuzulassen. Derweil werden von Syriens Regierung militärische Fakten geschaffen. Die Region ist eines der letzten Rebellengebiete in der Nähe von Damaskus. Sie wird seit Februar intensiv und permanent aus der Luft bombardiert und wegen einer Bodenoffensive der Regierungstruppen zusehends kleiner.

Laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden innerhalb weniger Wochen mehr als 800 Zivilisten getötet. Die Truppen Assads und seiner Verbündeten hätten mittlerweile etwa 40 bis 45 Prozent der Region erobert, vor allem in der ländlichen Osthälfte. Eigentlich hatte der UN-Sicherheitsrat am 24. Februar eine 30 Tage währende Waffenruhe für Syrien beschlossen.

Rebellengruppe lehnt Abzug ab

Die Regierungsarmee weitet ihre Offensive in diesen Tagen auf die dicht besiedelten westlichen Teile der Ost-Ghouta aus, die der Hauptstadt Damaskus am nächsten liegen. Derzeit führen sie eine Offensive gegen die Stadt Mesraba mit dem Ziel, die Ost-Ghouta in zwei Teile zu zerschneiden. Nach Angaben der Beobachtungsstelle vom Mittwoch entsandte die Regierung über 700 frische Kämpfer von Milizen, die Assad treu ergeben sind, an die Frontlinien bei Rayhan und Harastra. Die Kämpfer sollen aus Aleppo stammen und Mitglieder von ­afghanischen, palästinensischen und syrischen Milizen sein.

Unterdessen lehnte eine der wichtigsten Rebellengruppen Gespräche über einen von Russland vorgeschlagenen Abzug ab. „Über dieses Thema wird nicht verhandelt. Die Fraktionen der Ghouta und ihre Kämpfer und ihr Volk halten an dem Land fest und werden es verteidigen,“ erklärte Hamsa Birkdar von Dschaisch al-Islam in einer SMS an die Nachrichtenagentur Reuters.

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