Streit um Essener Lebensmittelpakete: Tafel schließt weiterhin Ausländer aus

Trotz massiver Kritik bleibt die Tafel bei ihrem Aufnahmestopp für Ausländer. Kanzlerin Merkel begrüßt die Einrichtung eines Runden Tisches.

Helfer entladen einen Lkw, auf dem "Nazis" steht

Die Essener Tafel – mit Grafittis versehen Foto: ap

BERLIN/ESSEN dpa | Die Essener Tafel hat am Mittwoch planmäßig neue Bezugskarten für Lebensmittelpakete an bedürftige Deutsche ausgegeben. Dabei wurden mehrere Bewerber mit ausländischem Pass weggeschickt, wie ein dpa-Reporter berichtete. Mehrere Dutzend Menschen standen demnach am Morgen für neue Berechtigungen an. Wer keine Kundenkarte bekam, wurde gebeten, in sechs Wochen wiederzukommen. Alles lief dabei friedlich ab, es gab keine lautstarken Proteste.

Der Verein in Essen vergibt neue Bezugskarten für Lebensmittel seit dem 10. Januar vorerst nur noch an Deutsche. Der Aufnahmestopp für Ausländer sorgt bundesweit für heftige Debatten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Entscheidung kritisiert. Auch Sozialverbände, Politiker verschiedener Parteien und andere Tafeln halten die Bevorzugung für falsch. Die Essener Tafel hält aber vorerst an der Praxis fest.

Nach der massiven Kritik strebt die Tafel eine Neuregelung bei der Lebensmittelverteilung an. Die Stadt Essen und der Vorstand hatten am Dienstag in einer Krisensitzung die Gründung eines Runden Tisches beschlossen. Dieser soll innerhalb der nächsten zwei Wochen zusammenkommen, um Lösungsansätze zu beraten. Im Fokus der Tafel stünden Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern, hieß es.

Merkel begrüßt die Einrichtung eines runden Tischs zur Lösung der Probleme. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, die Kanzlerin sehe den Einsatz von Ehrenamtlichen zur Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige mit „größtem Respekt“. Das habe sie auch in einem Telefongespräch mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) deutlich gemacht.

„Ein bedürftiger Mensch ist ein bedürftiger Mensch“, sagte Seibert. Die Staatsangehörigkeit sei dafür keine Richtschnur. Beispiele in anderen Städten könnten eventuell für Essen hilfreiche Hinweise geben, wie das Problem angegangen werde. Entscheidungen müssten vor Ort getroffen werden. Allerdings sei zu klären, welche Hilfe von außen gegeben werden könne. Dies sei auch Aufgabe des runden Tischs.

Linke fordert Kurswechsel in der Sozialpolitik

Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping forderte am Mittwoch einen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Sie wolle nicht über irgendwelche Quoten nach Nationalitäten für die Nutzer der Tafeln diskutieren, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. „Ich möchte darüber diskutieren, wie wir möglichst die Tafeln überflüssig machen, weil niemand mehr hungern muss in diesem Land.“

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer zeigte dagegen Verständnis für die Entscheidung des Essener Vereins. Jede Tafel stehe vor der Problematik, dass sie nur eine gewisse Menge an Lebensmitteln und Getränken zur Verteilung habe, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag der Passauer Neuen Presse. „Dabei müssen wir entschieden dem Eindruck entgegenwirken, dass wegen der Migrations- und Flüchtlingskrise und den enormen Mitteln, die der Staat für Flüchtlinge und Migranten aufwendet, hilfsbedürftige Deutsche schlechter gestellt werden und kürzer treten müssen.“

Die Essener Tafel begründet ihr Vorgehen mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern. Gerade ältere Menschen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hatte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor gesagt.

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